sehsüchte-Festivalbericht 2012

Rotkäppchen in Potsdam


sehsüchte 2012 Gewinner, Foto: sehsüchte

sehsüchte 2012 Gewinner, Foto: sehsüchte

Verständlich, wenn das manchen Sehsüchtlern zu morbide und ekelig war, aber an dem Thema Sterben kam man bei dem Festival trotzdem schlecht vorbei, wie Beiträge mit Titeln wie „Wir sterben“ (Josephine Links) und „Das letzte Kapitel“ (Maximilian Haslberger) beweisen. Während ersterer für das sensible Porträt der Großmutter der Regisseurin den Preis für die beste Dokumentation unter 30 Minuten verbuchen konnte, begleitete Haslberger den schwerkranken Branko ebenfalls in den letzten Monaten vor dessen Übertritt ins Unbekannte. „Das letzte Kapitel“ zeigt den Alltag im Senioren-Hospiz, quälend langsame Stunden, die sich wie Kaugummi ziehen und einen Protagonisten, der an guten Tagen draußen mit Bier und Zigarette im Rollstuhl sitzt, an schlechten röchelnd und dahinsiechend ans Bett gefesselt ist, mit dem Ticken der vielleicht auch eigenen Uhr als einziges Hintergrundgeräusch. Als Branko schließlich mit gefalteten Händen im schwarzen Anzug auf dem Bett liegt, sieht er aus, als würde er schlafen. Eine sich langsam entfernende Kamera und Brankos Abschiedslied „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd machen klar, dass er nicht wieder aufwachen wird.

Mit so einem nachdenklich stimmenden Schlussbild im Kopf und zugegenermaßen noch etwas Restalkohol im Blut von der zu Recht als legendär bezeichneten sehsüchte-Party vom Vorabend fällt es da etwas schwer, sich auf die direkt folgende Preisverleihung am letzten April-Sonntag einzustimmen. Aber Moderator Klaas Heufer-Umlauf, der unter anderem durch seine Show „17 Meter“ und Porno-Pingpong-Spielen für MTV Home ein bekanntes Gesicht im Showbiz ist, wird das schon irgendwie reißen. Dieser betritt auch hochmotiviert und mit schnittigem beigefarbenen Anzug die Bühne, allerdings zeichnen sich bei ihm erste Schweißperlen auf der Stirn mit der Feststellung ab, dass er binnen 60 Minuten 15 glücklichen Gewinnern die Hände schütteln muss. Zu Heufer-Umlauf, der sich zusehends um beschleunigte Programmabarbeitung bemühte,  gesellten sich im Laufe der dann doch zwei Stunden dauernden Veranstaltung bei jeder neuen Kategorie die jeweiligen Sponsoren und Juroren, die Entscheidungsbegründungen verlasen und Glasklotze überreichten – gegen Ende glich das alles einem ziemlich eiligen Bäumchen-Wechsel-Dich-Verfahren.

Während „Transpapa“ (Sarah Judith Mettke) als gewählter Publikumsliebling aus dem Wettbewerb hervorging, konnten zwei Beiträge gleich einen doppelten Sieg verbuchen: Für  „Korsoteoria“ („So it goes„, Antti Heikki Pesonen) bekam die Hauptdarstellerin Armi Toivanen den Preis für das beste Schauspiel und durfte kurze Zeit später gleich nochmal auf die Bühne, um im Auftrag der Regisseurin noch den Preis für den besten Spielfilm über 30 Minuten abzuholen. Doppelter Gewinner des Abends war außerdem „Mia und der Minotaurus“ (Florian Schnell), der in den Kategorien Produzentenpreis und Kinderfilm abräumte, offensichtlich ungeachtet seiner eher anstrengenden Besetzung mit einer nervigen und gestelzten Klugscheißer-Göre, die in dem zum Teil animierten Anti-Drogen-Film ihren Bruder vom Kiffen abhalten will. Naja, wichtig ist ja, dass ein Film bei seiner Zielgruppe entsprechenden Anklang findet.

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