Sorgenkind deutscher Kinderfilm

Sprichwörtlich in den Kinderschuhen


Erfolg drückt sich oft in Zahlen aus: Auch im deutschen Kinder- und Jugendfilm wird oft auf Franchise-Produkte gesetzt. Filmszene: "Hanni & Nanni" (Universal Pictures)

Erfolg drückt sich oft nur in Zahlen aus: Auch im deutschen Kinder- und Jugendfilm wird meist Franchise-Produkte gesetzt. Filmszene: "Hanni & Nanni" (Universal Pictures)

Der deutsche Kinder- und Jugendfilm braucht mehr Normalität und weniger Schubladen.

„Wir Älteren sollten die Jungen nicht nur von uns Vorgedachtes nachvollziehen lassen, müssen ihnen zubilligen, aktiv sein zu wollen, im produktiven Sinne unbequem. …“, sagte einmal der erst kürzlich verstorbene DEFA Regisseur Helmut Dziuba. Vor dem Hintergrund der Novellierung des Filmfördergesetzes (FFG), das auch das Genre des Kinder – und Jugendfilm berücksichtigt, kochen die Debatten seit Ende des vergangenen Jahres nicht nur um den so genannten „guten Film“ sondern auch um die Bedingungen und Richtlinien im deutschen Kinderfilm hoch. Die Diskussion wird geführt als ein Konglomerat aus Interessenskonflikten, Pflichten, Verordnungen und Ansprüchen unterschiedlichster Gruppen, wie Politik, Konsument, Wirtschaft und Filmemacher und ist nur schwer zu entwirren. Eins aber ist offenbar: Es muss noch viel getan werden, um den sich nur langsam entwickelnden Kinder- und Jugendfilm, im Übrigen ein äußerst schwieriges Genre, weil er so unterschiedliche Zielgruppen vereint, voranzubringen. Die Probleme sind unterschiedlichster und komplexer Natur, die von der Geringschätzung des Genres, über Daumenschrauben des Jugendschutzes bis hin zu inhaltlich verarmten Stoffen reicht.

Dem deutschen Kinder- und Jugendfilm werden häufig eskapistische Tendenzen und Realitätsferne vorgeworfen, die Flucht in nostalgische Geschichten, Abenteuer oder Fantasiewelten bestimmen nach wie vor filmische Stoffe. Mit der wirklichen Welt der jungen Generation haben die meisten Filme nichts zu tun. Selten können sie sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland behaupten. Besonders die Niederlande und skandinavischen Länder zeigen wie es geht. Berlinale-Beiträge wie der niederländische Film „Patatje Oorlog“ oder der ebenfalls aus den Niederlanden stammende „Kauwboy“ zeigen, wie selbstverständlich sich eben doch die hierzulande oft tabuisierten Themen Tod, Krieg und Trauer in den so genannten Kinder- und Jugendfilm integrieren lassen. Kritiker wie Manfred Hobsch heben dabei hervor, dass es möglicherweise an der Filmförderung in diesen Ländern liegt, dass gerade originäre Stoffe eine Chance erhalten, schließlich werden 25 Prozent der Fördermittel dort für Kinder- und Jugendfilme eingesetzt. Die in Deutschland vom Medienboard verabschiedeten Förderentscheidungen allein für April zeigen dagegen wieder einmal, wie schmalspurig man auf Nummer sicher geht und sich für die Unterstützung von Romanvorlagen entscheidet. „Hanni & Nanni 3“ bekommt 250.000 Euro und „Peterson und Findus“ 100.00 Euro Förderung. (sic!)

In Deutschland überwiegt nach wie vor – wie auf einer Mitgliederkonferenz der Filmwirtschaft im April 2012 noch einmal von Lothar Mikos, dem geschäftsführenden Direktor des Erich Pommer Institutes, hervorgehoben wurde – die Förderung filmwirtschaftlicher Projekte und nicht die Förderung von Filmkultur. Auch vor diesem Hintergrund lassen sich die einseitigen Produktionen im Bereich Kinder- und Jugendfilm lesen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann versucht sich in die Debatte einzubringen und monierte bereits mehrfach öffentlich die Verantwortung der Fernsehanstalten, die sich verstärkter auch finanziell an Produktionen beteiligen müssten, statt nur auf Remakes, Bestseller-Verfilmungen oder Märchen zu setzen. Zu wenig setzten sie auf originäre Stoffe. Doch auch im 200. Jubiläumsjahr der  Kinder- und Hausmärchen legt zumindest die ARD schon mal wieder nach und verfilmt weitere Märchen neu, denn das nächste Weihnachtsfest kommt bestimmt und die herausragende Quote heiligt die Mittel. Erst am 30. April endeten die Dreharbeiten des rbb und SR in Berlin und Brandenburg zur Neuverfilmung des Märchens „Hänsel und Gretel“, das erst 2006 vom ZDF neu produziert worden war.

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