Fußball ist Pop


Schauspielernde Sportler: Paul Breitner (rechts) als US-amerikanischer Soldat in Peter Schamonis "Potato Fritz", Foto absolut Medien

Schauspielernde Sportler: Paul Breitner (rechts) als US-amerikanischer Soldat in Peter Schamonis "Potato Fritz", Foto absolut Medien

Fußball und Film – „ungleiche Zwillinge“, wie Norbert Niclauss seine Rezension zum Standardwerk des Genres „Fußball im Film – Lexikon des Fußballfilms“ von Jan Tilman Schwab im Magazin „Der Tödliche Pass“ (Ausgabe Januar – März 2007) überschrieb. Von „Twin Towers der westlichen Kulturindustrie“ spricht er, „paradigmatische Kinder der Moderne, im imperialen Maßstab erfolgreich, Starsystem und Glamourfunktion, satte Umsätze inklusive.“ Dieses Opus des Fußballfilms widmet sich auf über 1.000 Seiten dem Subgenre des Sportfilms, dem das internationale Fußballfilmfestival 11mm seit nunmehr neun Jahren ein einzigartiges Festival in Berlin widmet.  Der Fußballfilm muss sich ganz speziellen Herausforderungen stellen, wie etwa dem wenig überraschendem Umstand, dass gute Schauspieler nur selten gute Fußballer sind, – und wie manch hölzerner Versuch illustriert – umgekehrt Fußballer nur wenig brauchbare Schauspieler sind, wie etwa Paul Breitner in „Potato Fritz“ (1976) zeigte. Das alte Fußball-Raubein Vinnie „Die Axt“ Jones ausgenommen, der auf eine beachtlichen Fußball-Karriere mit bemerkenswerten 13 Platzverweisen, dank Guy Ritchie, der ihn in gleich mehreren Streifen wie „Lock, Stock & Two Smoking Barrels“ oder „Snatch“ besetzte, eine nicht minder beachtliche Schauspiellaufbahn folgen ließ.

Fußball ist dank seiner filmreifen Dramatik der weltweit meistverbreitete Sport. Über 250 Millionen Menschen spielen Fußball, das Endspiel der letzten Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika verfolgten circa 700 Millionen Menschen live. Fußball ist Pop! Fast überall auf dem Globus – vielleicht mal abgesehen von der nordamerikanischen Exklave USA, wo sich gerade mit Jürgen Klinsmann der große Reformer der jüngeren Geschichte des deutschen Fußballs an einer weiteren Kulturrevolution versucht. Ein Projekt, das zum Scheitern verdammt ist, glaubt man John Cleese:

In kaum einer Figur des Fußballs zeichnet sich – den über allen thronenden Kaiser Franz Beckenbauer ausgenommen – die Wandlung des Fußballs so nach, wie bei dem dereinst braven schwäbischen Bäcker Jürgen Klinsmann. In „We are The Champions„, dem grandiosen „wahren Sommermärchen“ von Sepp Maier, der seine Weltpremiere beim 11mm Fußballfilmfestival 2012 feierte, war der Stürmer mit den wehenden blonden Haaren wichtiger Teil der 1990er-Weltmeister-Mannschaft von Trainer Franz Beckenbauer (natürlich). In einem mitreißenden Achtelfinale gegen Holland trug er maßgeblich zum erfolgreichen Gelingen bei – und beendete damit eine Epoche. Diese 90er-Weltmeister stehen für eine beinahe ausgestorbenen Spezies. Das Team um seinen überragenden Kapitän Lothar Matthäus ist das letzte deutsche Team, in dem die Schnurrbart- und Vokuhila-Träger den Ton angaben. Das letzte Team, das Stellvertreterkämpfe für die überwiegend männliche Arbeiterklasse führte. Das wahrscheinlich letzte große, erfolgreiche Team, das eben kein Pop war.

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