Shibari-Künstler Matthias T.J. Grimme im Gespräch

Beweg deinen Arsch-Bondage


Grimme: "Die Effizienz, der genaue Plan, die verschiedenen Muster, die sich miteinander kombinieren lassen, faszinieren mich." Foto: Bondage Project

Grimme: "Die Effizienz, der genaue Plan, die verschiedenen Muster, die sich miteinander kombinieren lassen, faszinieren mich." Foto: Bondage Project

Sie selbst sind bereits in Tokyo mit ihren Shows aufgetreten. Was kann ein Deutscher einem Japaner dahingehend noch beibringen?
Von der Technik her bewege ich mich innerhalb der japanischen Tradition. Doch mein Ansatz, dass sowohl das Modell als auch der Fessler aktiv am Geschehen beteiligt sind, hat die Japaner zuerst verwirrt, denn sie kannten eher das passive, leidende Modell. Inzwischen gibt es auch in Japan verschiedene Meister, die diesen Ansatz verfolgen. Ob das eine allgemeine Entwicklung ist oder von mir angestoßen wurde, sei dahin gestellt. Aber es ist klar, dass Lernen nie eine Einbahnstraße ist.

Was bedeutet es, wenn beide aktiv am Geschehen beteiligt sind?
Aktiv sein heißt, dass das Modell nicht einfach nur in den Seilen liegt, steht oder hängt, sondern sich bewegt und ausprobiert, welchen Spielraum die Fesseln lassen. Ich nenne das die „Beweg deinen Arsch-Bondage“.

Wie sind Sie selbst zum Bondage gekommen?

Ich fand Bondage schon immer spannend. Als ich 1998 an meinem ersten Bondage-Handbuch arbeitete, bekam ich die ersten Einblicke in japanische Bondage-Techniken, die ich dann über diverse Jahre immer wieder in Tokyo vervollständigen konnte. Die Effizienz, der genaue Plan, die verschiedenen Muster, die sich miteinander kombinieren lassen, faszinieren mich besonders.

Es geht also darum, einen Plan bzw. ein Muster umzusetzen, das Sie vorher im Kopf entwickelt haben?
Der Plan entwickelt sich während des Fesselns. Es ist nie gut, einfach stur einem vorher festgelegten Setting zu folgen, sondern immer besser, die eigene Stimmung und die des Partners mit einzubeziehen und den Plan danach zu entwickeln. Auch die jeweilige Tagesform ist zu berücksichtigen, denn was gestern ging, muss nicht unbedingt auch heute funktionieren.

In ihren Workshops führen sie Amateure an das Thema Fesselung heran. Auf welche Ängste und Vorurteile treffen Sie?
Ich biete schon seit 1 1/2 Jahrzehnten Kurse zum Thema Bondage an, seit 12 Jahren unterrichte ich japanische Bondage. Die meisten Leute glauben, dass da ganz viele Knoten zu lernen sind und, dass das alles sehr schwierig zu durchschauen ist. Und dann zeige ich ihnen, wie einfach die Strukturen der einzelnen Bondage-Muster sind. Die eigentliche Kunst besteht ja nicht nur darin, diese Strukturen zu beherrschen, sondern darin, sie situationsangepasst und je nach Möglichkeit des Modells zu kombinieren und da, wo die Struktur eine enge Grenze bietet, auch über diese Grenze hinaus zu fesseln. Das heißt, sich in den Bereich der freien Interpretation japanischer Fesselungen zu wagen. Das können manche Leute nicht, denn sie fühlen sich nur innerhalb einer klaren Struktur sicher.

Und wo bestehen Grenzen?
Natürlich gibt es Grenzen, die mit der Beweglichkeit des Modells einhergehen oder mit den kreativen Möglichkeiten des Fesslers und auch die emotionale Verbindung ist etwas, was man nicht wirklich lernen kann. Entweder hat man ein Gefühl dafür oder es ist so, als würde man eine Schaufensterpuppe fesseln. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man einen Partner hat, der Störungen innerhalb der Session sofort meldet und dass man als Aktiver in der Lage ist, diese Störungen sofort zu beheben. Und natürlich muss alles einvernehmlich ablaufen.

Vertrauen spielt demnach eine große Rolle.
Vertrauen ist das A und O – Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Vertrauen in den Partner, sowohl in den Aktiven, wie auch in den „Passiven“.

Interview: Martin Daßinnies

Bondage Workshop – Japanisches Bondage/Shibari Sa 27.10., 15 bis 18 Uhr, Anmeldung und Infos: office@pornfilmfestivalberlin.de
Pornfilmfestival Berlin 24. bis 28. Oktober, Moviemento, www.pornfilmfestivalberlin.de

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