ContraVision 2012 im Colosseum
Contra dem Kommerz!
Was soll man nur machen, wenn man Filme drehen möchte, dafür aber leider das Geld fehlt? „Klau dir einfach ‘ne Kamera!“, rät Autorenfilm-Dinosaurier Werner Herzog in so einem Fall, aber vielleicht kommt man seinem Vorhaben auch näher, ohne gleich zum Kleinkriminellen zu avancieren. Zum Beispiel, indem man beim ContraVision Filmfestival sein No-Budget-Erstlingswerk einreicht und am Ende als Gewinner mit tollen Equipmentpreisen nach Hause geht. Darauf hoffen jedenfalls die Macher der 63 Kurzfilme, die aus 650 Einreichungen ausgewählt wurden und deren Werke vom 30. November bis einschließlich 8. Dezember im Colosseum in Prenzlauer Berg vorgeführt werden.
Seit 20 Jahren präsentiert das Festival seinen Gästen Beiträge aus aller Welt ohne jegliche Beschränkungen durch Genre, Themen oder gar produktionstechnische Qualitätsansprüche, solange das Endprodukt originell, exzeptionell und vor allem bloß nicht Mainstream ist. Und da hier Raum für Filme geschaffen wird „die in der Regel nicht den Weg in die kommerziellen Kinos“ finden, gibt es beim ContraVision auch keine schnöselige Jury, die die Einreichungen in Augenschein nimmt. Als Publikumsfestival kann hier der Zuschauer über Sieg und Niederlage der Filmschaffenden entscheiden und bestimmt damit auch am Ende die drei glücklichen Gewinner. Bis es soweit kommt, vereint das Colosseum aber zunächst Amateure, Filmstudenten, Newcomer und angehende Stars der Kurzfilmbranche unter seinem Dach und zieht mit seinem Programm von Dokumentation über Kurzspielfilm bis hin zu Animation alle Register.
Wer im Kurzfilmsektor bewandert ist oder besser, schon öfters von einem Kurzfilmfestival zum nächsten gewandert ist, kann im Lineup ein paar Titel und Namen ausfindig machen, die sich bereits bei anderen Festivals ans Licht der Öffentlichkeit gewagt haben. Hierzu zählt zum Beispiel Bryn Chaineys‘ „Legacy„, der schon die Zuschauer beim British Shorts Festival Anfang des Jahres mit unzähligen Bestattungsvarianten einer toten Maus begeisterte. Ebenfalls nicht unbekannt und bereits schon beim Sehsüchte Festival und interfilm vertreten, zeigt der Animationsfilm „Flamingo Pride“ (Tomer Eshed) ein Meer aus rosa Vögeln bei einer Gay Parade, in der sich der einzige Hetero-Flamingo dann doch ziemlich diskreditiert fühlt. Zuschauer der diesjährigen Ausgabe vom interfilm Festival müssten außerdem schon „Steffi gefällt das“ von Philipp Scholz kennen, der in jedem Fall unterhaltsamer ist als dieses ständige Selbstdatenschutz-Geposte, das sich derzeit epidemieartig auf Facebook ausbreitet.
Ansonsten warten auf Kurzfilm-Kenner und -Newbies gleichermaßen aber noch viele weitere Beiträge, darunter auch der Eröffnungsshort „Der Filmbringer“ (Martin Guggisberg), in dem Filmrollen durch den tiefsten Schnee geschleppt werden und dessen Titel gleichzeitig das Credo des gesamten Festivals abdeckt, oder auch eine Alieninvasion anlässlich der deutschen Wiedervereinigung („Einheitstag„, Eckhard Kruse). ContraVision hat übrigens nicht nur ein Herz für angehende, arme Filmemacher, sondern auch für sein Publikum: Wahrhaftige Kinojunkies bekommen das volle Kontrastprogramm nämlich schon für schmale 32 Euro. Die Tageskarte kostet 8 Euro.
Alina Impe
20. ContraVision 30. bis 8. Dezember, Kino Colosseum, Programm unter www.contravision.de