Festivalbericht zum 6. British Shorts Filmfestival

Über kurz oder lang bei den Briten


Jeden Abend ausverkaufte Vorstellungen und Menschen, die sich wie Ölsardinen in dem mittlerweile zu klein gewordenen Foyer des Sputnik-Kinos aneinander pressten. Foto: Aleander Buchholz

Jeden Abend ausverkaufte Vorstellungen und Menschen, die sich wie Ölsardinen in dem mittlerweile zu klein gewordenen Foyer des Sputnik-Kinos aneinander pressten. Foto: Aleander Buchholz

Es gibt Geschichten, die sich nicht in Kürze erzählen lassen. Geschichten etwa, die jahrelang andauernde Reisen schildern, die das Hin und Her einer selbstzerstörerischen Liebesbeziehung illustrieren oder die der Menschheit begreiflich machen sollen, woher sie kommt und wohin sie geht. Die großen Fragen des Lebens passen nicht ins Kurzformat. Wer könnte sich schon vorstellen, dass Epen wie „2001 – A Space Odyssey„, „Der Herr der Ringe“ oder auch ein Fernseh-Mehrteiler wie „Die Dornenvögel“ brutal in ein 20minütiges Erzählformat gequetscht werden? Kurzfilme, die von vornherein durch eine Längenbeschränkung gebrandmarkt sind, sehen daneben vergleichsweise alt aus. Könnte man meinen, ist aber nicht so. Denn genauso gibt es Geschichten, die kann man nur kurz erzählen. Hier geht es weniger um glanzvolle Helden und ausufernd-rauschhafte Abenteuer, sondern um die kleinen Dinge, um Situationen, um einzelne Momente und im Besonderen: Um Flüchtigkeit. Der Kurzfilm ist deshalb oft näher am Leben seiner Zuschauer. Und der britische Kurzfilm, um den es hier gehen soll, ist damit nicht viel anders als der deutsche Kurzfilm, mal abgesehen von dem Akzent, der einem die Knie weich werden lässt.

Wie populär Briten und Kurzfilme geworden sind, ließ sich dieser Tage hervorragend auf dem British Shorts Filmfestival beobachten, vor allem, wenn man den Vergleich zum Vorjahr hat. Jeden Abend ausverkaufte Vorstellungen und Menschen, die sich wie Ölsardinen in dem mittlerweile zu klein gewordenen Foyer des Sputnik-Kinos aneinander pressten. Freude, wenn man beim Screening noch einen Notplatz auf einer Bierkiste ergatterte. Doch sie alle kamen nicht wegen des British Accent, sie kamen wegen der kleinen Geschichten. Ganz vorn bei den Topthemen mit dabei, so schien es, war Coming of Age. Ja, wir erinnern uns alle noch daran, wie das als Teenager so war, nämlich meist ziemlich grauenhaft. Viele haben damals aber wahrscheinlich noch nicht gewusst, dass bescheuerte Experimente und sinnloses Besaufen sich sogar kombinieren lassen, etwa wenn man sich wie die beiden 14jährigen Mädchen in „Good Night“ (Muriel d’Ansembourg) einen in Wodka getränkten Tampon einführt. Chloe und Rachel wollen herausfinden, was Sex Appeal ist und riskieren dabei nicht nur eine Schleimhautentzündung, sondern fast eine Vergewaltigung in den düsteren Straßen von London.

Ihr gleichaltriger Leidensgenosse Danny scheint davon schon zumindest den Hauch einer Ahnung zu haben, wenn er in dem 80er-Jahre-Setting von „Love Does Grow On Trees“ (Bevan Walsh) eifrig Schnipsel aus alten Pornoheften sammelt. Wichsvorlagen – wenn auch aus zweiter Hand (Igitt!) – waren in den 80er Jahren bedeutend schwerer zu kriegen als in heutigen Zeiten, wenn YouPorn, Sexroulette und Co. nur einen Klick entfernt sind. Und wer keine Pornos guckt, spielt eben so lange World of Warcraft, bis er nach 5 Jahren merkt, wie viel Lebenszeit er eigentlich verschwendet hat. So erging es dem Protagonisten Anthony Rosner der autobiografischen Doku „In Real Life„, doch als er merkte, dass digitale Schlachten, Items und Waffen keine echten sozialen Beziehungen ersetzen können, war Schluss mit lustig. So gesehen ist WoW noch gnadenloser als der Langspielfilm, denn der Kampf hört, wie durch Anthony kritisch resümiert, niemals, wirklich niemals auf.

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