Interview mit Unkown Pleasures-Leiter Hannes Brühwiler

Vehement gegen den Mainstream


Hannes Brühwiler, Foto: Martin Daßinnies

Hannes Brühwiler, Foto: Martin Daßinnies

Das Unknown Pleasures ist ein kleines, aber feines Festival, das sich ganz dem amerikanischen Independentfilm verschrieben hat. Noch bis zum 16. Januar steht das Babylon Kino in Berlin Mitte also unter US-Besatzung. Im Interview stand uns der Festivalleiter Hannes Brühwiler Rede und Antwort.

Beginnen wir mit den Wurzeln. Wie entstand die Idee, das Unknown Pleasures Festival zu gründen?
Vor sechs Jahren habe ich auf Festivals immer wieder Filme gesehen, die mir sehr gut gefallen haben und von denen ich dachte, man müsste sie in Berlin auch zeigen. Sie wurden aber nie gezeigt. Dann habe ich angefangen zu recherchieren, welche Filme es sonst noch gibt und habe die erste Ausgabe des Unknown Pleasures gestartet – eigentlich als einmalige Sache. Diese war sehr erfolgreich und so ging es dann mit der Nummer zwei, drei, vier und jetzt Nummer fünf weiter. Der Grundansatz war so aber eigentlich der: Ich hatte das Gefühl, dass viel passiert und viel Interessantes zu sehen ist. Das bleibt hierzulande allerdings unsichtbar.

Deutschlandpremiere des neuen Films von Michel Gondry, „Dark Zero Thirty“ von Oscarpreisträgerin Kathryn Bigelow und jetzt auch noch Tarantinos „Django Unchained„, letztere jeweils als Preview. Ist der Eindruck richtig, dass das Prestige des Unknown Pleasures zuletzt noch einmal enorm gestiegen ist?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, das Festival wurde von Jahr zu Jahr immer etwas bekannter. Allerdings ist es immer noch klein. Gerade was die größeren Filme anbelangt, ist vieles von Verleihern abhängig. Möchten sie das, möchten sie das nicht? Passt es für sie oder nicht? Es hat also weniger mit den Renommee von Unknown Pleasures zu tun, als vielmehr mit der Frage: Passt das Festival in die Strategie der Verleiher? Trotzdem glaube ich, dass das Festival über die letzten fünf Jahre immer einen Schritt voran gemacht hat.

Inwiefern hat die Strategie der Verleiher in diesem Jahr gepasst? Wie hast Du speziell diese drei Filme bekommen?
Den Gondry-Film habe ich über den Weltvertrieb bekommen. Der Prozess war normal, wie bei vielen Filmen: Verhandlungen mit Paris, in denen es vor allem darum ging, wo und wie oft man ihn zeigt. Ich war aber überrascht, dass der Film hier noch nie lief. Zu den anderen beiden Filmen: Der Bigelow-Film passt sehr gut in die Reihe und der Verleih verspricht sich gute Werbung. Bei dem Tarantino ist es ähnlich. Es schmerzt den Verleih nicht, uns den Film zu geben und gleichzeitig bekommt er Werbung und Presse.

War es Deine Idee, diese Filme zu zeigen oder wurdest Du angefragt?
Nein, die Initiative ging von uns aus.

Arbeitest Du beim Unknown Pleasures sonst mit Einreichungen oder ist es eher so, dass Du die amerikanische Filmlandschaft systematisch sichtest?
Es ist mir natürlich leider nicht möglich, alles zu sehen, da so viele Filme produziert werden. Also schaue ich zum einen: Was lief auf anderen Festivals? Andererseits bekomme ich auch Hinweise von Bekannten oder im Internet, auf einer Seite, die eine Art Festivalkatalog anbietet, der aktuelle Filme auflistet. Mittlerweile schaue ich natürlich auch, ob ein Regisseur, den wir schon einmal gezeigt haben, einen neuen Film macht.

Kommt es auch vor, dass Verleiher oder Filmemacher Dich ansprechen?
Ja, Filmemacher schon. Ich kommuniziere nicht öffentlich, dass Filme eingereicht werden können, weil ich lieber selbst suche. Aber es kommt immer häufiger vor, dass mich Leute fragen: Kann ich etwas schicken? Bei Verleihern passiert das seltener.

Kommen wir zum Programm, das mit Drama über Komödie bis zu Action sehr vielseitig ist. Was muss ein Film – abgesehen von seiner amerikanischen Herkunft – haben, um auf dem Unknown Pleasures zu laufen? Was erwartest Du von amerikanischem Independent-Kino?
Unknown Pleasures richtet sich vehement gegen den Mainstream. Und damit meine ich nicht den Hollywood-Mainstream, sondern den Independent-Mainstream oder das Mainstream-Art-House-Kino. Das sind Filme, die mir zuwider sind. Filme, die ich ausschließe. Das ist ein Kriterium auf das ich achte. Abgesehen davon, gibt es keinen genauen Kriterienkatalog. Mir ist wichtig, dass man spürt, dass die Filme auf unterschiedliche Arten sehr persönlich sind, dass sie eine Stimme haben und etwas aussagen, ohne in Plattitüden zu verfallen oder Banalitäten von sich zu geben. Auch formal müssen die Filme passen, aber es gibt – wie gesagt – definitiv keinen Kriterienkatalog. Wichtig ist, dass der Film gegen den Mainstream gerichtet ist.

Versuchst Du dem Festival immer gewisse Themen oder ein Motto zu geben und wenn ja, gibt es eine Art roten Faden in diesem Jahr?
Nein, das mache ich nicht. Zum einen soll das Unknown Pleasures keine offizielle Best Of-Veranstaltung sein. Es bietet einen sehr subjektiven Blick. Filme, von denen wir denken, dass sie interessant sind. Gleichzeitig soll es auch nicht thematisch sein, nach dem Motto: Dieses Jahr geht es um Familien, die zerbrechen. Da ist man schnell an dem Punkt, dass man sich als Kurator zu wichtig nimmt, indem man den Filmen ein Konzept überstülpt. Nichtsdestotrotz passiert es, dass wir plötzlich vier oder fünf Filme mit ähnlichen Themen haben. Das passiert nicht bewusst, sondern ergibt sich. Ich finde es dann auch sehr spannend, zu sehen, in welche Richtung das Kino geht oder was verschiedene Leute gerade bewegt.

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