Rückblick auf die transmediale 2013

Festivalbericht 2013 - Die Leinwand als Kunsthalle


Marcel Schwerin bei der Vorstellung von Media's Material. Foto: Julia Gruessing / tansmediale

Marcel Schwerin bei der Vorstellung von Media’s Material. Foto: Julia Gruessing / tansmediale

Der kluge Bert Brecht hat in seinem Stück „Baal“ einen schönen Satz verewigt. Er lautet: „Geschichten, die man versteht, sind nur schlecht erzählt“ Mag man diesem Befund glauben schenken, dann hat das Filmprogramm der 2013er transmediale erneut alles richtig gemacht. Kurator Schwierin hatte auch in diesem Jahr eine filmische Aufstellung unter viele stimmungsvolle Stichworte versammelt und diese mit einigen sehenswerten Werken bestückt. So richtig verstanden, worum es denn genau nun eigentlich ging, hat man jedoch nur fragmentarisch oder: in kurzen Momenten, in denen einem ein scheinbar inhaltsschwerer Gedanke in den Kopf schoss, welcher auch sogleich wieder verflog. Aber der Reihe nach. Wie bereits in der Vorankündigung beschworen, beschäftige sich das Screening-Programm zum transmediale-Slogan „Back when Pluto was a Planet“ mit musealen Aspekten und bemühte hierfür den Franzosen André Malraux. Dieser fand dann auch endlich Einzug am letzten Veranstaltungstag. Im Block „Malraux’s Screening“ durfte man den eigentlich bildenden Künstler Dennis Adams eine gute dreiviertel Stunde dabei beobachten, wie er in „Malraux’s Shoes“ (USA 2012) den stark exaltierten, weltschmerzenden und selbstzerstörerischen Mann mimte. Ein Schwall kultur(betriebs)kritischer Diagnosen, von Adams als „cultural tourette“ bezeichnet, stürzte auf den von Bildern bedeckten Fußboden nieder. Nicht wenig anstrengend, dafür großartig divaesk. Sprachlich ein bisschen bescheidener ging es in Hermine Freeds Blue-Box-Experiment „Art Herstory“ (USA 1974) zu. Freed bestieg hierfür einige populäre Gemälde und sinnierte über die portraitierten Frauen, deren Platz sie dank modernster Technik nun einzunehmen vermochten.

Wieder eine technische Errungenschaft, auf die in Museen „Back when Pluto was a Planet“ gern zurückgegriffen wurde, machte sich die wunderbare Laurie Anderson in den 70er Jahren zunutze: In „At the Shrink’s (A Fake Hologram)“ (Niederlande 1974) sieht man die Künstlerin als verwaschenes, halbwegs dreidimensionale Skulptur auf einem Sessel sitzen. Analog zur Theorie der Projektion aus der Psychologie, reflektiert sich Anderson in ihrem Video einfach selbst in den Raum der Erleuchtung. Dass dieser keineswegs so illuminierend ist, enttarnt sie Zuhilfenahme einer Geschichte. Ein kurzer, aber effektvoller Einstieg in das Programm „Talking to the Exterior World„,  dass mit dem ungleich kürzeren „Lagos Island“ (Karimah Ashadu, Nigeria 2012) beschlossen wurde – hier ist es ein rollendes Objekt mit einer Kamera im Inneren, dass seinen Weg entlang eines Strandes sucht. Das Krachen und Scheppern des Vehikels gelangt gemeinsam mit dem doch recht tristen, sich fortwährend verschiebenden Bildmaterial zu einer bemerkenswerten Gesamtheit. Eine etwas andere Form der Zusammenführung zwischen Bild, Ton und Schnitt wagte Gary Gibbins in seinem Beitrag „7 Questions About Bicycles“ (Kanada 2009). Die Collage verwebt simple Fragen aus dem Mund eines Kindes mit verstörenden Antworten von Mutter und Vater, die Gibbins mit eindringlichen Bildmaterial illustriert.

Eine Hommage an die Neuinterpretation gab es in der Zusammenstellung „Remade Reproductions“ zu erleben. Besonderes Highlight: Die Anwesenheit John Smiths, der für seine Arbeit „The Girl Chewing Gum“ (Großbritannien 1976) immer wieder gern in den großen Kontext in Sachen Art-Film gestellt wird. Dabei war 1976 eigentlich nicht viel zu sehen – eine Straße in Smiths Nachbarschaft wurde kurzerhand mit einer Kamera bestückt, die vorbeilaufende Passanten einfing. Eine der ersten Arbeiten des damaligen Filmstudenten, über dessen Nachruhm sich Smith noch heute wundert. Vielleicht als Kommentar zu lesen, folgt mit „The Man Phoning Mum“ (Großbritannien 2011) die Replik auf das frühe Magnum Opus. Wie im Original beinhaltet der Titel schon viel vom eigentliche Geschehen: 2011 telefoniert ein Mann mit seiner Mutter und berichtet ihr über vorüberziehende Fußgänger. Im anschließenden Gespräch ist es Smiths humorige Bescheidenheit, die entzückt. Er wohnt noch immer in selbiger Straße, wo bereits 1976 seine Kamera stand – und bis auf ein paar runderneuerte Häuser, scheint alles in bester Ordnung. Nur, dass sich der Regisseur mittlerweile wie ein Dinosaurier vorkäme, beim Betrachten seines schwarz-weißen Kaugummimädchens. „Hollywood Movie“ (Deutschland 2012) von Volker Schreiner bearbeitet hingegen Nam June Peiks filmtheoretische, aggressive Anweisungen zum Betrachten von Mainstream-Filmen, in dem Schreiner Deszendenten des Studiosystems eben jene Sätze in den Mund legt. Ein Hoch auf die Montage!

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