Interview mit “Kaptn Oskar”-Regisseur Tom Lass

Die Suche nach Bildern in der Stadt


Der „Berlin Film“ soll heute eine Marke für junges, deutsches Kino sein. In „Kaptn Oskar“ ist wenig von dieser Stadt zu sehen, obwohl man als Zuschauer weiß, dass dieser Film hier spielt. Du zeigst kaum Klischees.
Ich liebe Berlin. Als Stadt und als Drehort. Aber es ist einfach auch das Naheliegendste, schon aus finanziellen Gründen. Bei „Kaptn Oskar“ geht es letztlich um eine Geschichte, die überall stattfinden könnte. Es geht also weniger um den Ort als um das Motiv, von dem ich mich leiten lasse. Ich nenne das den „kreativen Richtungswechsel“. Anstatt sklavisch den Motiven zu folgen, die in einem Drehbuch stehen, drehe ich den Prozess um und suche nach Bildern in der Stadt – und lasse mich dann von dem inspirieren, was wir vor Ort finden. So entstehen Szenen, die ich mir so nie ausgedacht hätte.

Gibt es Proben im Vorfeld der Dreharbeiten?
Nein, wir improvisieren immer. Manchmal gebe ich vor einer Szene kleine Anweisungen, erkläre was der Konflikt ist oder was die Person will. Ich gebe aber nicht vor, wie die Szene enden soll. Es führt sonst nämlich dazu, dass die Schauspieler nicht mehr ihr inneres Ziel verfolgen, sondern ein Ergebnis. Manchmal gebe ich überhaupt keine Regieanweisung und beginne ohne Vorwarnung zu drehen. Das führt oft dazu, dass die Schauspieler das naheliegendste spielen und automatisch zum Grundkonflikt ihrer Figuren kommen.

Du arbeitest momentan an einem Buch über Deine Erfahrungen während der Dreharbeiten zu „Papa Gold„.
Ja, aber es wird kein Buch sein. Wohl eher eine Art Blog. Ich habe festgestellt, dass ich meine Herangehensweise selten in ein paar Worten zusammenfassen kann. Auch im Vorfeld zu meinen Filmen konnte ich das schwer kommunizieren. Nach einem Dreh wussten alle Beteiligten dann aber sehr genau, wie Improfilm geht und können es teilweise besser erklären als ich. Und da ich nicht mit jedem Interessierten einen Film drehen kann, schreibe ich jetzt eine Art Tagebuch. Ein erster Entwurf ist schon fertig. Mein Plan ist aber nicht nur eine schriftliche Form, der Leser soll parallel auch Szenen aus dem Film oder Rohmaterial sehen können.

Das wohl auffälligste Ausstattungsstück Deines neuen Films ist ein farbenprächtige Pullover, den Oskar, Du, trägst. Woher kommt dieses schaurig-schöne Stück?

Den hab ich von einer Bekannten auf dem Flohmarkt gekauft. Das ist das Oberteil ihres Schlafanzuges. Ich fand den ziemlich bescheuert aber irgendwie auch sehr angenehm. Wenn man genau hinguckt, sind auf dem Ding zwischen den Blumen schöne Frauen zu erkennen. Wenn ich den Pullover anhabe, fühle ich mich gleich weniger allein. Am ersten Drehtag von „Kaptn Oskar“ hatte ich etwas ganz anderes an, und war ziemlich frustriert, weil nichts zusammenpassen wollte. Am zweiten Tag habe ich mir dann dieses Stück genommen und beschlossen, dass das mein Kostüm ist. Und so blieb das dann.

Interview: Martin Daßinnies

achtung berlin Termine: Fr, 19. April, 20 Uhr, Babylon Mitte, Di, 23. April, 21.30 Uhr, Filmtheater am Friedrichshain; Sa 20. April, 20 Uhr im Filmcafé (Schliemannstraße 15)

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