Das Pornfilmfestival 2013 im Rückblick

Mehr Substanz, weniger Sperma


"Sexy Baby": Drei unterschiedliche Facetten gegenwärtiger Sexualität. Foto: Pornfilmfestival Berlin

"Sexy Baby": Drei unterschiedliche Facetten gegenwärtiger Sexualität. Foto: Pornfilmfestival Berlin

…Knopfleiste plötzlich bis kurz unters Kinn?

Es ist kein Zufall, dass die ersten beiden Filme in diesem Text reichlich wenig mit dem gemein haben, was der lüsterne Leser möglicherweise zwischen den Zeilen zu erfahren hofft. Schließlich geht es ja um Porno, nicht? Doch offenbar hat sich das Pornfilmfestival in seiner achten Ausgabe zu großen Teilen gegen den Hardcore-Film in Spielfilmlänge ausgesprochen und lieber Beiträge in das Programm geholt, die sich in sekundärer Form mit der Thematik „Sex“ auseinandersetzten. Dutzende Genitalien gab es dennoch zu bestaunen, doch konnte man sich des Eindrucks nur schwerlich verwehren, dass es davon in den vorangegangen Jahren doch einige mehr zu sehen gab. Knöpft das Festival, kurz vor seinem zweistelligen Geburtstag, die Knopfleiste plötzlich bis kurz unters Kinn? Oder reagiert Berliner Filmfestivals nach Schwanz-reichen Jahren selbst unvorbereitet borniert?

Wie dem auch sei – überhaupt nicht verklemmt sondern ziemlich offenherzig plauderten die drei sehr unterschiedlichen Frauen in „Sexy  Baby“ (Jill Bauer & Ronna Gradus, USA 2012). Schauplatz USA: Sexualität durchdringt hier nicht erst seit der digitalen Revolution das öffentliche Leben. Medien, Industrie, Marketing und Politik – der Mainstream – schaffen ihre eigenen Role-Models, denen man selbst in aufgeklärtester Form nicht entkommen kann.  In „Sexy Baby“ ist es ausgerechnet eine 12-Jährige, die sich in der digitalen Welt – sexualisiert oder nicht – beeindruckend nüchtern bewegt, während ihre Eltern immer noch an einer Schutzhülle für ihr „Baby“ basteln. Dem Übermaß an Angeboten und der angeblichen Freizügigkeit des Netzes setzt sie ein Lächeln entgegen, das in seiner Ernsthaftigkeit so manchen Habitus eines Mittvierzigers kastriert. Die porträtierte Stripperin und ehemalige Pornodarstellerin setzt dagegen ihrem in Nacktheit gelebten Beruf die drei großen Konservatismen Küche, Kind, Kerl entgegen.

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