Festivalbericht: Busan International Film Festival 2013

Zwischen den Konsum-Universen


Aber zurück: Um festzustellen, dass Korea (oder besser gleich ganz Asien!) sich derzeit im Umbruch befände(n), muss man sicher nicht nach Busan reisen. Zudem handelt es sich hierbei vielleicht doch um nicht viel mehr als eine eher mittelmäßig scharfe Beobachtung. Zeugen solch Filme wie die von PARK Chul-soo (das Festival hat dem erst kürzlich verstorbenen Regisseur eine kleine Retrospektiv gewidmet) doch von einem Südkorea, dass auch in den 80er und 90er Jahren nicht nur technisch mit „westlichen“ Produktionen locker konkurrieren konnte. Einige Szenen aus „301, 302“ (1995) befinden sich zum Beispiel nicht nur ganz dicht am 90er-Gefühl (einmal sieht man eine der beiden Hauptakteurinnen auf einem Glastisch zu prägnantem Easy-Listening-Sax tanzen). Man vergisst sie auch nicht. Perlen wie der Thriller „Mother“ (1985), in dem eine Mutter aus intellektuellem Milieu ihre verschwundene Tochter aus den Fängen von Zuhältern befreit und anschließend auf äußerst blutige Weise rächt, oder „Stray Dog“ (1982), eine Hymne auf die Freiheit in der Metapher eines Straßenhundes, dürften einem internationalen Vergleich mehr als standhalten.

Auch die zweite, ungleich größere Retrospektive zum Werk des Regisseurs IM Kwon-taek überrascht durch einen extrem progressiven Genre-Ritt mit Filmen aus drei Dekaden. Modelliert „Ticket“ (1986) anhand vierer Frauen, die allesamt in einem Teehaus arbeiten und bei weitem nicht nur Heißgetränke servieren, ein Portrait über das Leben als etwas bessere Prostituierte in einer südkoreanischen Hafenstadt, mäandert „Fligh High, Run Far“ (1991) in klassischem Stil durch historisches Terrain anhand der Donghak Peasant Revolution. Vorlagen, denen die Filme aus den Sektionen „Korean Cinema Today“ und „New Currents“ nicht unbedingt auf Augenhöhe begegnen können. Aber das erwartet auch niemand. Dennoch finden sich selbstverständlich Namen wie KIM Ki-duk, der seinen neuen Film „Moebius“ vorstellt. Sowieso sieht man den Herren im Laufe des BIFF eher konstant als selten – zunächst noch als riesigen Pappaufsteller (er sollte alsbald weichen…) vor dem Busan Cinema Center, später dann auch gern auf abendlichen Veranstaltungen umringt von beachtlicher Entourage.

Andererseits: An Gossip mangelt es auf Filmfestivals ja bekanntlich nie. Spannendere Beobachtungen konnte man da schon in der Sektion „New Currents“ machen, die insgesamt zwölf Beiträge aus dem asiatischen Raum (ein reichlich großer – im Rahmen des Festivals versammelten sich hier Filme von Japan bis Iran) präsentierte. Das reichte dann von transzendentaler Einkehr, einer Meditation hinsichtlich Leben und Tod, Ländergrenzen, Irdischem und Mystik in „The Isthmus“ (Sopawan Boonnimitra, Thailand 2013), über indisches Bombast-Kino mit russischen Tierschützerinnen und Wasser-riechenden Schwerenötern in „Jal (Water)“ (Girish Malik, Indien 2013), bis hin zu unheimlichen Dorfbewohnern, lebendig begrabenen Schweinen und Inszest-Gerüchten in „Steel Cold Winter“ (CHOI Jin-seong). Zu den wahren Entdeckungen zählten sie jedoch alle nicht. Die prämierten Filme, allein zwei von ihnen aus dem Gastgeberland Südkorea, bewegten sich thematisch stärker auf dem trockenen Boden der Wirklichkeit. Allen voran „10 Minutes“ (LEE Yong-seung), der seinen ambitionierten Hauptakteur zwischen den Fängen eines Praktikums zermalmen lässt. Der Film spricht dabei eine nüchterne, auf jegliche Effekte verzichtende Sprache, die wunderbar mit den innerlichen Terror des jungen Mannes konstatiert. Sadistisch, gut.

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