Interview mit Ali Samadi Ahadi zu “45 Minuten bis Ramallah”

"Meine Mutter wurde vom Geheimdienst verhaftet"


In Ahadis "45 Minuten bis Ramallah" gehören Handgranaten zum Alltag der Menschen. (c) Zorro

In Ahadis "45 Minuten bis Ramallah" gehören Handgranaten zum Alltag der Menschen. (c) Zorro

Im Film ist das Gebilde Familie sehr wichtig…
Die Familie ist im Nahen Osten zentral. Da kannst du sein, wie du sein willst. Sonst musst du oft Rollen spielen. in der Familie kannst du dich gehen lassen. Rafik kann das nicht.

Er kritisiert das auch.
Genau, er ist deshalb weggegangen. Er sagt sich: Wenn ich mich selbst in dieser letzten Nische nicht wohlfühlen kann, dann gehe ich lieber. Er kommt zurück und trifft auf eine Familie, die verletzt ist, weil er gegangen ist. Der Zusammenhalt ist sehr wichtig in der Familie. Den braucht man, um nicht auf sich alleine gestellt zu sein.

Können Sie das persönlich nachempfinden?
Zwar nicht in der Härte, aber als ich „The Green Wave“ machte und mit dem Film durch die Gegend gezogen bin, wurde meine Mutter währenddessen vom Geheimdienst verhaftet. Die versuchten uns gegeneinander auszuspielen. Das ist im Interesse des Systems. Damit muss ich leben und umgehen.

45 Minuten bis Ramallah“ ist einerseits ein Buddie-Movie mit zwei Brüdern, die sich wir Kumpels verhalten, folgt dabei aber dem Motiv der Reise, bei der der Weg das Ziel ist. Brauchten die beiden Brüder ein gemeinsames Abenteuer, um den anderen wieder zu verstehen?
Reisen bedeutet einerseits viel Luft und Freiraum für die Brüder, die andererseits Tag und Nacht aufeinander hocken und nicht voneinander loskommen. Egal, ob in ihrem Auto, wo sie 50 Zentimeter trennen, im Gefängnis oder vor der Hinrichtung. Sie brauchen diese gemeinsame Reise. Mein Vater riet mir: Wenn du jemanden kennen lernen willst, unternimm mit diesem Menschen eine Reise.

Der Cast ist international. Mussten Sie beim Dreh ein Sprachgewirr moderieren?
Wir haben kurz überlegt, ob wir in Originalsprache drehen, was sechs Sprachen gewesen wären. Damit kamen wir nicht durch und haben uns letztendlich auf Englisch geeinigt. Wenn die Sprache unpräzise wird, müssen die Emotionen zwischen den Schauspielern und Kollegen sehr genau sein, um sich zu verständigen. Wir haben diese extrem anstrengende Zeit, in einem sehr kalten Winter, dank des Teams gemeistert. Das liegt auch an der Geschichte des Films. Die Kollegen sind für den Film durch die Hölle gegangen.

Wie war er denn geplant?
Ursprünglich war ein ganz großes Budget geplant und kurz vor der Realisierung traten Förderer zurück. Die Produzenten haben eine sehr leidvolle Geschichte hinter sich.

Was war passiert?
Sie kamen schon 2009 mit der Geschichte zu mir. Da konnte ich nicht, weil ich „The Green Wave“ machen musste. Sie konnten Emir Kusturica gewinnen und mit ihm kamen viele Geldgeber. Bis die Sache aus dem Ruder lief und die Produzenten sich von Kusturica trennten. Der Film befand sich aber wenige Wochen vor dem Dreh und mitten in den Vorbereitungen und die Produktion hatte schon viel Geld ausgegeben – und das mit der Gewissheit, fast das Fünffache des Budgets zu haben. Plötzlich haben aber viele Geldgeber und Förderer sie im Stich gelassen. Die Produzenten saßen auf den Ausgaben, ohne einen Film. Da erst kam ich ins Spiel. Am Ende blieb uns weniger Geld als bei einem Tatort.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

Die Komödie „45 Minuten bis Ramallah“ von Regisseur Ali Samadi Ahadi ist ab 5. Dezember 2013 bundesweit in den Kinos zu sehen.

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