Jakob Lass über seinen Film “Love Steaks”
Nicht Dogma, Fogma!
Kannst Du Dir erklären, warum „Love Steaks“ beim Filmfest in München gleich alle vier Nachwuchspreise abgeräumt hat? Auf einen Ausstehenden hat es gewirkt, als besäße die Jury einen tiefgreifenden Durst und nur ein großer Schluck, Dein Film, konnte diesen stillen.
(lacht) Das ist ein schönes Bild. Danke.
„Love Steaks“ trägt eine programmatische Vorgehensweise in sich. Ihr nennt sie Fogma. Um was genau geht es da?
Fogma ist der Überbegriff für unsere Arbeitsweise. Wir haben in den Vorbereitungen zum Film viel darüber gesprochen, wie wir an ihn herangehen wollen und wie wir die Arbeitsweise gegenüber meinem letzten Film „Frontalwatte“ verfeinern können. In der Freiheit, mit der wir spielen, wollten wir uns ein Spielfeld setzen, auf dem wir arbeiten. In der Improvisation ist es wichtig, sich zu begrenzen und sich Regeln auf zu erlegen.
Es geht um Hedonismus und nicht wie bei „Dogma 95“ um etwas Asketisches und Quasireligiöses …
Hedonismus ist etwas weit gegriffen. Richtig ist, wir wollen Spaß. Aber noch mehr wollen wir Flow, also einen schnellen, reaktiven Zustand, bei dem es eine hohe Spannung gibt. Es geht darum, in der Arbeit am Film Impulse, Gedanken und Ideen mit einer gewissen Leichtigkeit zeitnah um zu setzen. Das ist die große Chance des improvisierten Arbeitens.
Also Anspannung statt Überspannung?
Genau. Es geht um die Balance zwischen Über- und Unterforderung. Man sollte es sich nicht zu einfach machen, sich aber auch nicht kaputt spielen, wie es leider an vielen Filmsets üblich ist. Wir drehen nicht 18 Stunden am Tag. Irgendwann ist man da einfach nicht mehr kreativ.
Du spricht oft im Wir. Inwieweit ist „Love Steaks“ ein Gemeinschaftsprojekt?
Beim Film reicht es nicht, dass nur einer gut ist. So entstehen keine guten Filme. Wir arbeiten als Gruppe. Die Verantwortung für einzelne Bereiche ist trotzdem essentiell.
In einer Zusammenarbeit sind Reibungspunkte wichtig für den kreativen Prozess. Wie vermeidet ihr eine „Feel-Good-Situation“, in der jeder irgendwann seiner Wege geht?
Wir haben viel Zeit damit verbracht, Entscheidungen abzuwägen – und diese dann gemeinsam getroffen. Konsens kostet viel Zeit und Energie. Aber es geht eben nicht nur darum. Spaß gehört ebenso dazu. Zusammenarbeit bedeutet nicht Harmonisierung sondern Intensivierung.
Verlangt das nicht ziemlich viel Selbstbewusstsein?
Gerade durch die Gruppenarbeit wächst ja das Selbstbewusstsein. Man lernt sich kennen, wird durch die Gruppe gespiegelt und erhält durch sie Unterstützung. Wenn einer zweifelt, fängt ihn ein anderer auf.
Gab es Momente, in denen am Set nichts passiert ist?
Natürlich sitzt man mal herum und langweilt sich. Aber manchmal passiert dabei auch etwas. Sich diese Lockerheit leisten zu können, ist toll.
Weiterlesen: Unsere Filmkritik zu „Love Steaks“
Deine Protagonistin Lara ist Köchin, sie beschäftigt sich also viel mit Fleisch. Clemens ist Masseur und beschäftigt sich dementsprechend häufig mit Muskelpartien. Man kann sagen, Fleisch verbindet die beiden. Die Beziehung der beiden funktioniert allerdings weitestgehend nicht über physische Anziehung.
(lacht) Ja, beide arbeiten an unterschiedlichen Enden eines hotelinternen Kreislaufes: Die Speckröllchen, die sie eingefüttert hat, massiert er weg. Nach der Massage gehen die Leute dann wieder essen.
Dann mal weg von der Physiognomie …
Ich finde die Zwischenräume sehr spannend, die in der Beziehung von Lara und Clemens nicht endgültig geklärt werden. Die Kämpfe, die die beiden ausfechten, die Spiele, die sie spielen, das hat mich interessiert.
Das Hotel stellt eine Begrenzung dar, aber es liegt am Meer…
… dieser Gegensatz ist für die Beziehung der beiden sehr wichtig. Sie werden ja sehr eng aneinander gedrückt. Zugleich existiert außer der Weite um sie herum fast nichts.