Festivalbericht von der 10. Jubiläumsausgabe von achtung berlin
Wenn der Filmvorführer den Trailer erzählt
Seit nunmehr zehn Jahren widmet sich achtung berlin dem jungen, wilden Kino aus Berlin. Jung und wild – dabei ist das Filmfest selbst auf dem Weg zum Teenager. Interessant dabei: Der Film-Auswahl, also dem Programm, merkt der tatsächlich überwiegend junge Besucher den Alterungsprozess nicht an. Aus seinen Kinderschuhen wächst das Filmfestival eher im Rahmen, bei dem, was neben den Leinwänden und hinter den Kulissen passiert. Am Eröffnungsabend stehen die beiden Festivalerfinder Hajo Schäfer und Sebastian Brose stolz nebeneinander vor dem Glitzervorhang, der die Leinwand im Prachtkino des Ostens Berlins, dem International, verdeckt. Zeit, um einen Moment in Erinnerungen zu schwelgen. Beide haben sie im Festivalumfeld ihre Partnerinnen kennen gelernt, beide sind sie mittlerweile Väter. Der geneigte Stammgast denkt bei solchen Anekdoten sicher schelmisch an das Festival-Motto der zurückliegenden Jahre, als es hieß: „Mit Liebe gemacht.“
Bald nach den warmen Worten der beiden Festivalleiter öffnet sich der schwere Glitzervorhang träge und die Jubiläumsausgabe beginnt. Die große Bühne gebührt Isabell Šuba und „Männer zeigen Film und Frauen ihre Brüste„. Die junge Regisseurin war 2010 mit ihrem Kurzfilm „Chica XX Mujer“ an die Croisette zum Festival de Cannes eingeladen. Statt den Traum der meisten Filmemacher auszukosten, entschied sich Šuba für ein Wagnis: Sie akkreditierte an ihrer statt die Schauspielerin Anne Haug (hier unser Interview mit Haug) als sich selbst. Das glamouröse Filmfest, bei dem die weiblichen Filmschaffenden oft nur eine Nebenrolle spielen, mit seiner einzigartigen Mischung aus herausragender Filmkunst und großen Auftritten auf dem Roten Teppich, verzückt Boulevard und Feuilleton gleichermaßen. Die im Programm unterrepräsentierten Regisseurinnen sorgen seit einigen Jahren für einen mal mehr, mal minder lauten Aufschrei. Auf diesen Missstand spielt Šuba mit ihrem Titel mehr an, als mit dem Film selbst. Darin bekommen die achtung-Besucher zwar manch kurioses Exemplar aus der Peripherie dieses Film-Zirkus zu Gesicht, aber im Zentrum stehen die inszenierte Šuba und ihr (ebenfalls fiktiver) Chauvi-Produzent David Wendtland (gespielt vom „echten“ Produzenten Matthias Weidenhöfer). Das Gezicke zwischen den Fake-Protagonisten amüsiert oft, nervt aber bald. Statt dem x-ten Disput hätte dem Film sicher gut getan, wenn er aus Šubas Wagnis mehr herausgeholt hätte. Anstatt die Partys und Dates zu verpassen, wäre es deutlich spannender, wirklich hinter die wunderschöne Fassade des Festivals zu blicken. So bleibt der Beigeschmack, dass bei „Männer zeigen Film und Frauen ihre Brüste“ mehr drin gewesen wäre.
Weiterlesen: Die ausführliche Kritik zu „Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“ von Isabell Šuba