Regisseurin Cynthia Beatt im Interview zu „Ein Haus in Berlin“

Beatt: Ich bin ermüdet von vielen Spielfilmen



Das sieht man ja im Grunde auch deinen Filmen ein bisschen an, dass sie sich diesen Produktionsbedingungen verweigern.
Also ich würde gern genug Geld haben, um lange an einem Kamerakonzept für einen fast-klassischen Spielfilm zu schreiben, aber diese Zeit kostet zu viel Geld. Ich würde vielmehr wagen wollen, wenn ich komplexe Kamera- und Lichtkonzepte finanzieren könnte.

In „Ein Haus in Berlin“ gibt es eine Vielzahl an großen Themen – Enteignung, Gentrifizierung, Familien und Identitätskonflikte – das sind alles so große Themen, die würden eigentlich auch für einen klassischen Spielfilm funktionieren, aber dein Film ist ja im Grunde eine Mischung, eine Art dokumentarischer Spielfilm. Kannst du dazu was sagen, wie es dazu kam, dass du dich für Form entschieden hast?
Das hat sich aus der Situation entwickelt. Ich wollte für die Geschichte eine parallelformale Ausdrucksform finden. Und es ist auch eine Antiposition. Ich bin ermüdet von vielen Spielfilmen heutzutage – von den Bildern, von den Erzählungen, es ist zu wenig für mich. Ich hatte immer vor, mich von dem Drehbuch freizumachen. Und weil ein größeres Produktionsvorhaben nicht funktioniert hat, durch die Schließung der damaligen Produktionsfirma, lag das dann eine Weile da, bis jemand es wieder entdeckte und sagte: „Das musst du unbedingt machen, das ist so eine gute Geschichte“. Ich habe ein bisschen Geld bekommen, um das umzuschreiben und damit fing dieser Prozess an, mich noch extremer vom Drehbuch zu trennen oder eine ganz neue Form zu finden, und es war für mich klar, dass ich wahrscheinlich Passagen haben würde, die anders erzählt werden – Szenen mit Schauspielern, Szenen ohne Schauspieler, Szenen mit Schauspielern, wo der Gegenspieler nicht da ist. Ich hatte immer den Glauben, dass man sich nicht an etwas festhalten sollte, das nicht geht. Das ist sozusagen die Geschichte zu dem Prozess, der sich 15 Jahre hingestreckt hat.

Weiterlesen: Unsere ausführliche Filmkritik „Festhalten am Herzensprojekt zu „Haus in Berlin„.

15 Jahre! Das ist eine lange Zeit.
Ja, das ist es. Es begann als Idee über Spekulanten. Nach dem Mauerfall, 1995, habe ich Geschichten gehört über Leute, Anwälte, Notare, die Zugang zu Grundbüchern hatten und die nach Erben, Nachkommen, jüdische Familien in der ganzen Welt suchten: manche haben versucht, ein schnelles Vermögen zu verdienen. Es war wie die feeding frenzy – wenn Haie Blut riechen.

Das ist ja auch ein Prozess, der vielleicht in den 90ern angefangen hat, aber der ist ja nicht zum Stillstand gekommen. Ich erinnere mich dran, dass es in „Ein Haus in Berlin“ auch bewusst um Gentrifizierung geht, wie sich Berlin verändert, immer noch. Da spürt man ja eine deutliche Haltung, deine Haltung.
Das ist die feudale Gesellschaft, die immer noch existiert und die immer noch akzeptiert wird und es ist schockierend, dass Berlin nicht geschützt worden ist. Aber die Politiker finden, dass das nun mal Teil unseres Lebens ist, dass die Spekulanten an die Wohnungen, die Orte, wo wir leben, ran können. Ich find‘ das kriminell. Das ist die ursprüngliche Geschichte von „Ein Haus in Berlin“. Ich sehe Gentrifizierung nicht als das Problem, ich sehe das eigentliche Problem darin, dass Spekulanten so viel kaufen können, wie sie wollen. Man darf nicht mit Wohnungen spekulieren.

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