Regisseurin Cynthia Beatt im Interview zu „Ein Haus in Berlin“

Beatt: Ich bin ermüdet von vielen Spielfilmen


"Haus in Berlin" feierte seine Premiere beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Foto: Filmfest Rotterdam

„Haus in Berlin“ feierte seine Premiere beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Foto: Filmfest Rotterdam


Wenn du so sprichst, könnte man sagen, dass deine Protagonistin Stella also im Grunde viele Personen verkörpert, die du bei deinen Recherchen getroffen hast. Sie ist nicht nur eine Person.
Nein, aber sie hätte real sein können. Es ist eine fiktionale Geschichte, wo nicht alle Teile der Geschichte erfunden sind, bzw. eigentlich ist alles erfunden, aber nicht erfunden, weil alles auf realen Ereignissen und Geschehnissen basiert. Und juristisch fundiert ist. Es ist eigentlich Fiktion, aber viele Leute wie Sie sehen „Ein Haus in Berlin“ als Dokumentarfilm. Durch diese fundierte Grundlage wird die Geschichte real.

Stella findet ja eine neue Identität, aber nicht unbedingt in den jüdischen Wurzeln, sondern darin, dass sie nach Palästina geht, dass sie dort den Vertriebenen beim Wiederaufbau ihrer Häuser hilft. Das ist eine interessante Überraschung, denn sie hätte ja auch zurück nach Schottland gehen können oder in Berlin bleiben können. Wie seid ihr darauf gekommen?
Ja, wenn man nicht die Geschichte Palästinas der letzten 100 Jahre eingetaucht ist, ist das vielleicht eine überraschende Wendung. Aber es gibt ganz viele jüdische Menschen, die an der Geschichte Palästinas große Anteilnahme zeigen und die sich durch der Geschichte der Enteignung, der Vertreibung, der Ermordung der Juden in Deutschland auch mit der Geschichte des Zionismus befasst haben. Und eine jüdische Aktivistin hat zu mir gesagt „Viele von uns haben die gleiche Reise nach Palästina gemacht“. Es ist also gar nicht ungewöhnlich, im Gegenteil.

Wenn er so läuft, wie du dir das vorstellst, dann stößt „Ein Haus in Berlin“ gleich mehrere Diskussionen an – über den Wohnungsbau, Feudalismus, Palästina. Das ist dann ja tatsächlich ein Film, der viel vom Publikum will, der viel erwartet oder nicht?
Ja, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass das Publikum auf so einen Film wartet. Ich glaube, Menschen wollen angestoßen werden, wollen sich an Diskursen und Debatten beteiligen. Die wollen das.

Gibt es ein neues Projekt, an dem du derzeit arbeitest?
Ich arbeite seit 1985 an meinem großen Fidschi-Projekt. Es hat mit der europäischen Geschichte der Südsee zu tun, und mit der Suche nach Paradies und Fragen wie „Does paradise exist?“ „Do you carry it with you?“. Und weil ich da aufgewachsen bin, und weil ich die Insel kenne, soll es eigentlich ein Film über Fidschi werden, wie es wirklich ist; es gibt die Absicht, die Menschen so zu zeigen, wie sie sich selbst zeigen würden. Die Frage ist: Wie wird die Erzählweise? Das geht weiter als ein Dokumentarfilm oder Essayfilm. Davon will ich jetzt im Moment aber noch nicht so viel erzählen.

Ich denke ja, dass die gesamte künstlerische Produktion, die nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern auch gleichzeitig hinterfragt, ob das jetzt der richtige Weg ist, diese Geschichte zu erzählen, besonders interessant und relevant ist.
Natürlich muss man die eigene Position reflektieren! Das war auch schon in „Böse sein ist auch ein Beweis für Gefühl“ wichtig. Dieser Zwiespalt zwischen den Welten. Ich bin hier mit meinem Blick und da sind sie mit ihrer Welt. Die Förderer haben da ein Problem: ich bin keine Fidschianerin. Das ist natürlich ein Thema für mich und alle meine Freunde, die dort aufgewachsen sind: Wir fühlen uns wie Fidschianer, wir sind es aber nicht.

Die Fragen stellte Marie Ketzscher.

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