Interview mit Regisseur Oliver Hirschbiegel zu „Elser“

Hirschbiegel: Snowden ist eins zu eins Elser


Christian Friedel spielt den lange unbekannten Hitler-Attentäter Georg Elser. (c) Lucky Bird Pictures

Christian Friedel spielt den lange unbekannten Hitler-Attentäter Georg Elser. (c) Lucky Bird Pictures


Radikalere Ausschläge in der Jugend oder der Adoleszenz sind nicht ungewöhnlich auf dem Weg, auf dem jeder seine eigene Haltung sucht. Allerdings war das Angebot zu der Zeit eben sehr radikal…
Es gab damals diese Wandervogel- und die Nudisten-Bewegung war unheimlich stark, die haben gerammelt wie die Karnickel. Eine Freizügigkeit, wie später in den 60er- und 70er-Jahren. Die 20er-Jahre, das vergisst man, die waren eine einzige Orgie. Diese haben die 1932 gerade hinter sich. Berlin hat zu der Zeit vibriert. Es war die geilste Stadt der Welt. Das war Party!

Wie haben Sie Christian Friedel auf die Rolle Elser vorbereitet?
In langen Gesprächen. Ich habe ihm Texte als Lesematerial gegeben, wichtig war hier z,B. Jean Amerys „Die Tortur„. Wir waren sofort Freunde. Ich wollte möglichst viel Hintergrundinfo über die Figur an den Schauspieler herantragen. Habe ihm die brillante Dokumentation „Innenansichten – Deutschland 1937“, die ich angesehen habe, gegeben. Die ist von einem Amerikaner, der überraschend die Genehmigung hatte, sich frei im Land zu bewegen und mit seiner Kamera zu filmen. Er vermittelt ein Gefühl für das Land. Die Elser-Vorbereitung ging hin bis zum Horoskop. Ich habe Friedel Elsers Horoskop samt Charaktereigenschaften laut Astrologie geschickt.

Was stand darin?
Die traf ziemlich den Punkt. Man vergisst immer, dass der Astrologie eine tausende Jahre zurückliegende Weisheit zugrunde liegt. Im Vergleich dazu können die modernen Wissenschaften gerade mal 200 Jahre aufweisen. Mit den Sternen operieren wir seit 80.000 Jahren.

Sie glauben an eine Macht der Sterne?
Ja! Dafür finden sich zu viele Parallelen zwischen den Menschen, die ich in meinen Filmen behandelt habe, aber auch bei den Menschen in meiner Umgebung. Da gibt es eine wahnsinnig hohe Trefferquote. Das gilt auch für Tarot. Jeder Mensch hat eine eigene Karte, die über das Geburtsdatum, also über Numerologie ermittelt wird. Das ist schockierend, wie das immer auf den Punkt stimmt. Das chinesische oder das japanische Horoskop, die folgen unterschiedlichen Prinzipien, aber an sich behandeln sie dasselbe und haben eine unheimlich hohe Trefferquote.

Bei Elser drängt sich auch der Gedanke an einen Menschen wie Edward Snwoden auf. Wo sind Parallelen?
Ich dachte auch an Snowden. Wie der aus sich selbst heraus handelt. Wie er absolut selbstlos und egofrei sagt, warum er das machen musste. Snowden ist eins zu eins Elser. Snowden ist kein Tyrannenmörder, aber folgt der Haltung, aus einem inneren Antrieb, einem Bedürfnis heraus, der Welt etwas mitzuteilen, sind die beiden ähnlich. Elser wäre nicht so eloquent wie der Akademiker Snowden, aber die bewegen sich auf einer Linie.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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