Interview mit Martín Rejtman während des „Nuevo cine argentino“ im HKW

Regisseur Rejtman: "Ich bin nicht anders als meine Filme. Ich bin merkwürdig."


"Dos Disparos"-Regisseur Martín Rejtman. Foto: HKW/Promo

„Dos Disparos“-Regisseur Martín Rejtman. Foto: HKW/Promo

Anlässlich der Retrospektive „Nuevo cine argentino“ im Haus der Kulturen der Welt, das noch bis zum 20. September 2015 stattfindet, wird auch Martin Rejtmans letzter Film „Dos disparos“ (2014) gezeigt. Teresa Vena hat sich für Berliner Filmfestivals mit ihm über den argentinischen Autorenfilm, Humor und die Unterschätzung der Blockflöte als salonfähiges Instrument unterhalten.

Herr Rejtman, wie dieser aktuelle Filmzyklus im Haus der Kulturen der Welt zeigen will, erlebt der argentinische Film seit ungefähr zwanzig Jahren eine außergewöhnliche Blütezeit. Es scheint, als profitiere das Kino von staatlicher Unterstützung, gerade im Vergleich zu Produktionen aus Brasilien, die viel weniger entwickelt wirken. Wie sieht es konkret in Argentinien aus?
In Argentinien werden viele Filme produziert, vielleicht sogar zu viele. Es ist nicht so schwierig, staatliche Unterstützung zu bekommen. Wer mindestens einen fertigen Film vorweisen kann, wird selten abgelehnt. Beim Debütfilm ist es allerdings sehr schwierig, fast unmöglich, den zu machen. Man muss an Wettbewerben teilnehmen oder einen Produzenten finden. Der Anschluss ans System ist holprig. Ich finde, es sollte eigentlich umgekehrt sein. Der erste Film sollte mehr Unterstützung bekommen. Zudem wartet man sehr lange auf das Geld und braucht viele Beziehungen. Alles ist sehr bürokratisch. Aber schließlich schafft es man doch.

Wie definieren Sie selbst den „Nuevo cine argentino“?
Das ist ein Konvolut von Filmen und Autoren, die in den 1990er Jahren aufkam und sich den Filmen, die bisher existierten, entgegenstellte. Filme, die sehr weit von der sozialen Realität entfernt waren, sie waren künstlich und zu exaltiert. Man begann mit einem frischeren Film, der weniger industriell sein sollte. Die Filme und Autoren haben darüber hinaus nichts miteinander zu tun. Zu Beginn war es recht einfach mit Filmen zu beginnen und erst im Laufe des Prozesses Subventionen zu erhalten. Dies hat sich seitdem geändert. Man tendiert wieder mehr dazu, industriellere und kommerziellere Filme zu machen. Dieses frühere System in Kombination mit der Eröffnung zahlreicher Filmschulen, dem aufkommen einer spezialisierten Kritik und das Gründen der Festivals wie dem von Buenos Aires oder dem „Mar de Plata“ haben wohl zu diesem bekannten Phänomen geführt.

Erstaunlich erscheint, dass der Einfluss des argentinischen Films in Europa doch bescheiden ist. Es gibt beispielsweise kaum deutsche Untertitel. Können Sie sich das erklären?
Ich habe einen deutschen Co-Produzenten. Zurzeit ist aber keine deutsche Version geplant. Der Film wurde oft in Deutschland gezeigt, beim Filmfestival in München, in Köln und auch in Berlin im fsk-Kino. Es ist sehr schwierig Filme zu vertreiben, die nicht Mainstream sind.

Ist es nur das? Oder liegt es auch an den gesellschaftlichen Unterschieden?
Das kann sein. Ich glaube auch, dass es immer weniger Platz in den Kinos gibt für Filme, die idiosynkratisch sind. Im Allgemeinen braucht es zum Beispiel einen ethnografischen oder touristischen Grund, um Filme aus anderen Ländern zu zeigen. Der argentinische Film ist in diesem Sinnen nicht sehr touristisch. Es hat nicht viele pittoreske oder typische Dinge.

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