Interview mit Martín Rejtman während des „Nuevo cine argentino“ im HKW

Regisseur Rejtman: "Ich bin nicht anders als meine Filme. Ich bin merkwürdig."



Lassen Sie uns über Ihre Vorbilder oder Inspirationen sprechen. Ihre Filme erinnern auf der formalen Ebene an Kaurismäki und in der Charakterfindung und im Humor an Robert Walser oder Kafka.
Kafka ja, Walser wollte ich aber schon immer lesen. Das muss ich endlich mal machen. Aber abgesehen davon, mein Humor, woher der genau kommt, kann ich schwer sagen. Mir gefallen die US-amerikanischen „Screwball“-Komödien der 1930er Jahren. Wobei es nicht das ist, was ich selber mache. Mir gefallen die schnellen Dialoge. Ich fing meine Filme ohne Humor an. Aber nach und nach kam immer mehr Humor meine Filme. Mit „Dos disparos“ wollte ich eigentlich am Anfang einen Film ohne Humor machen. Mit der ersten Szene, in der sich der Junge in den Körper schießt, schien mir klar, dass man von hier aus nie einen humorvollen Film machen könne. Doch während des Schreibens, fielen mir die Szenen von selbst ein. So entstand diese seltsame Geschichte, die mit etwas Ernsthaftem beginnt und sich in eine Komödie verwandelt, die eigentlich keine richtige Komödie ist. Es gibt Situationen mit viel Humor, aber es ist kein Genre-Film. Es ist keine Komödie, kein Drama – es ist ein merkwürdiger Film.

Weiterlesen: Unsere Kritik zu „Dos disparos“ von Martín Rejtman.

Zu den lustigen Szenen des Films gehören die Episoden mit dem Flötenquartett. Wie kam Ihnen diese Idee?
Als ich 19, 20 Jahre alt war, spielte ich in einem Flötenquartett. Ich habe Block- und Querflöte gelernt. Die im Film gespielten Stücke, habe ich selber früher gespielt. Die Blockflöte ist ein weit unterschätztes Instrument, die Leute geben ihm wenig Bedeutung, vielleicht weil man es in der Schule lernt. Die Querflöte verdient mehr Wertschätzung. Mir gefiel die Idee, Musik von der Blockflöte in den Film zu nehmen, weil es mich persönlich reizte.

In Ihren Filmen verzichten Sie gänzlich auf Musik als Untermalung.
Ja, ich sehe es als nicht notwendig. Es hat schon so viel Musik, mit dem Flötenquartett zum Beispiel. In den anderen Filmen ist es gleich, nur im ersten Film „Rapado“ (1992) kommt mehr Musik vor, womit ich heute unzufrieden bin. Ich würde sie gerne wieder rausnehmen, wenn ich könnte. Es gefällt mir, mit den Geräuschen zu arbeiten. Ich bin nicht daran interessiert, mit Musik etwas Zusätzliches zu signalisieren. Deswegen ist auch meine Kamera immer objektiv. Ich versuche nichts hinzuzufügen, das nicht vor der Kamera bereits präsent ist. Natürlich spielen der Schnitt und die Erzählstruktur eine Rolle. Bei all den verschiedenen Elemente überlädt die Musik sonst andere Dinge. Ohne Musik kann ich viel mehr mit Geräuschen arbeiten, wie das Klingeln des Telefons. Mit Musik könnten sich diese einzelnen Geräusche von einander nicht abheben.

Sie mögen Tanzszenen. „Los guantes magicos“ (2003) enthält viele Tanzszenen und endet mit einer, „Dos disparos“ fängt mit einer an.
Mir gefallen die Tanzszenen sehr, ich mag es, sie in meine Filme zu integrieren. Allerdings tanze ich selber nicht gerne. Das ist vielleicht auch ein Grund dafür. Ich glaube, dass man sich beim Tanzen ein bisschen vergisst und die Kontrolle verliert. Man ist eins mit der Musik, und das gefällt mir. Zudem sind die Figuren in meinen Filmen sehr beherrscht, wenn sie tanzen, lösen sie sich, gehen aus sich heraus. In „Silvia Prieto“ (1999) gibt es eine Tanzszene, übrigens meine liebste aller Tanzszenen, die sehr wichtig ist für den Film: Während des Tanzens verliert die Protagonistin ihre Dokumente, und in gewissem Sinne auch sich selbst.

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