Länderfokus Südkorea beim Dok Leipzig 2015

Streben nach dem Himmel



Nach einem noch strengeren, für europäische Verhältnisse nahezu unglaublichen Regiment werden die Schüler gedrillt, die einmal im Jahr die wichtigste Prüfung ablegen müssen, die für ihre weitere Karriere entscheidend sein wird. In „Reach for the sky“ erfahren wir, wie ungefähr 18-Jährige über Monate hinweg bis tief in die Nacht lernen, um zu den landesweit 1% zu gehören, die an den drei Eliteuniversitäten in Seoul (den „SKY-Universitäten“) angenommen zu werden.

Südkorea, seine Großstädte, allen voran Seoul, sind einem sich stets vertiefendem Modernisierungsprozess ausgesetzt, der sich nicht nur im sozialen Verhalten der Menschen, sondern direkt im äußeren Erscheinungsbild des Landes widerspiegelt. Ein Quartier von Seoul nach dem anderen wird in Bezug auf Infrastruktur und Bebauung neu geplant, abgerissen und wieder aufgebaut, und dies zum Teil im Turnus weniger Jahre. Klare Benachteiligte des Ablaufs sind ältere Bewohner tieferer Sozialklassen, die sich die Mieten für ihren Laden oder ihre Wohnung nach der Sanierung nicht mehr leisten können. Dieses Problem schneidet der Film „Two doors“ von Il-ran Kim und Ji-you Hong an, in dem dieser exemplarisch von einer Hausbesetzung von 2009 erzählt, die in einer Katastrophe endete. Der Film prangert das politische und polizeiliche Vorgehen bei der Räumung des Hauses an, bei der mehrere Menschen starben. Die genaue Rekonstruktion der Vorfälle scheint unmöglich, da auf staatlicher Ebene Vertuschungsversuche unternommen wurden.

Es wird hier klar, dass in verschiedenen Feldern „das Moderne“ mit traditionellen Denkmustern kollidiert. Das demonstriert auch „My fair wedding“ von Hee-sun Jang. Der offen homosexuelle Regisseur inszeniert seine eigene Hochzeit als öffentlichen Anlass in der Erwartung, die Bevölkerung für seine Sache einzunehmen. Was die erste homosexuelle Ehe Südkoreas werden sollte, wird schließlich vom Staat nicht anerkannt. Der Film vermittelt ein Gefühl für die starren Strukturen der staatlichen Verwaltung.

Alle vier Filme haben in ihrer Machart verschiedene Gemeinsamkeiten. Die Autoren haben sich im wesentlichen dafür entschieden, keine wertenden Kommentare aus ihrer eigenen Perspektive einzufügen. Sie stehen als neutrale Beobachter da und überlassen dem Zuschauer selbst, seine Schlüsse zu ziehen. Das Vorgehen hat andererseits den Nachteil, dass die Strukturierung der Filme leidet. Es schleichen sich immer wieder Längen ein und zahlreiche Wiederholungen, die für das Verständnis unnötig sind.

Teresa Vena

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