1. moving history – Festival des historischen Films in Potsdam

moving history 2017: Das Bild als Waffe und Dokument


Das Moving History arbeitet Geschichte auf. Hier eine Szene aus "Der Polizeistaatsbesuch". Copyright: SDR

Das Moving History arbeitet Geschichte auf. Hier eine Szene aus „Der Polizeistaatsbesuch“. Copyright: SDR

Könnten die Bilder der belagerten AFD-Parteiparty am Wahlsonntag 2017 zu einem visuellen Zeitdokument einer politischen Zäsur in Deutschland werden? Wenn man gerade vier Tage im Potsdamer Filmmuseum der ersten Ausgabe des „moving history – Festival des historischen Films“ und damit der medialen Reflektion der Studentenbewegung um 1967 und der RAF beigewohnt hat, ist man versucht, zu antworten: Es kommt darauf an, wer die Kamera auf die Ereignisse richtet und wer die Bilder sieht, zu welchem Zeitpunkt. Und natürlich darauf, welches Bild vom wiederum nächsten erschlagen wird. Aber der Reihe nach.

Wer steht hinter der Kamera

Auf dem Büchertisch neben den Erfrischungen liegt ein kleiner Zettel, darauf ist zu lesen: „Die authentische audiovisuelle Selbstdarstellung der Rote Armee Fraktion. DER VIETNAMKRIEG IST IN DER BRD NOCH NICHT ZU ENDE. Leider nicht auf diesem Festival zu sehen, aber auf youtube“. Der Zettel suggeriert, dass bei diesem Filmfestival nicht alle „Seiten“ gehört werden, doch er bleibt eine Randnotiz des moving history Festivals, schließlich ist das Programm sorgfältig ausgewählt: Die Zeitzeugen sind mit Produktionen aus den 60ern und 70ern ebenso dabei wie die nachträglichen Perspektiven der Nullerjahre und später, das Fiktionale hat ebenso Bestand wie das Dokumentarische und die Annäherung steht ruhig neben der klaren Distanzierung.

Doch zuerst will man das Alte. Beim Blick weiter zurück in die Filmgeschichte schaut man als Nachgeborene neugierig, wie sich deutsche Geschichte in der Momentaufnahme verständlich macht. Man erwartet: Schlüsselereignisse, Abfolgen, Konsequenzen.

Und ist dann überrascht. Überrascht davon, dass das historische Zeitdokument auch lebt und atmet und begeistert – mindestens genauso, wenn nicht mehr, als so manche Aktualität. Da wäre zum Beispiel „Der Polizeistaatsbesuch“ von Roman Brodmann (1967). Ursprünglich unter dem Titel „Der Staatsbesuch“ als reine Beschäftigung mit dem Besuch des Schahs Reza Pahlavi intendiert, änderte sich das Filmkonzept durch die Proteste vor dem Schöneberger Rathaus und die Erschießung Benno Ohnesorgs, erläutert Kay Hoffmann vom Haus des Dokumentarfilms. So entstanden Bilder, die als Zitate immer wiederkehren sollten – von den randalierenden Jubelpersern, einer zusammengehauenen Frau im Rettungswagen und natürlich Ohnesorg, wie er tot im Hinterhof liegt. Der Ton des Films ist ungewöhnlich: So ironisch kommentierte Fernsehbeiträge sind heute kaum mehr vorstellbar. Jeder Satz ist ein Schuss aus der Wasserpistole. Gleich eingangs wird eine Pensionsleiterin mit den klaren Worten eingeführt „Ihr prominentester Besuch, seit sie für den Führer einen Apfel schälen durfte.“

Während „Der Polizeistaatsbesuch“ kritisch über die Ereignisse berichtet, die in der Erschießung Ohnesorgs gipfelten, erzählt der im gleichen Double Feature gezeigte „Die Ruhestörung“ kritisch von den Ereignissen danach: Die Diskussionen im Sozialistischen Deutschen Studentenbund , diverse Vollversammlungen und Universitätsdiskussionen, die unter anderem Rudi Dutschke und Jürgen Habermas in der hitzigen Auseinandersetzung über die Emanzipation des Subjekts und den Voluntarismus im Bezug auf die Gewaltfrage dokumentieren. Obgleich Hans Dieter Müllers und Günther Hörmanns „Die Ruhestörung“ allen Redenden mit großem Respekt begegnet und sich auf der Seite der Studierenden verortet, wird eben auch klar: die Ziele der Studentenbewegung verfangen nicht in der Öffentlichkeit – nicht nur wegen des fehlenden inneren Zusammenhalts der Studierenden, sondern auch wegen der sprachlichen Distanz und Diskrepanz zwischen Hörsaalsprech und Passantengespräch, wie sie der Film so schön zeigt.

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