Interview mit DOK Leipzig Kuratorin Franziska Bruckner


Franziska Bruckner kuratiert bei der DOK Leipzig das Programm "Nach der Angst".

Franziska Bruckner kuratiert bei der DOK Leipzig das Programm „Nach der Angst“.

Der vierte Part, „Nach der Angst„, war für mich die intensivste Erfahrung – und du sagst ja auch selbst, dass das Filme waren, die dich bedrängt haben, die etwas mit dir gemacht haben. Warum hast du das bei den anderen Programmen nicht auch gemacht, dieses „Nach-Bauchgefühl-agieren“ und so Filme zusammenstellen?
Wenn das Thema nur „Angst“ gewesen wäre, hätte ich noch viel mehr Auswahl gehabt, damit hätte ich sicher noch zwei Programme füllen können. Aber nachdem das Thema ja „Nach der Angst“ war, war es mir eben wichtig, dieses „Nach“ zu fokussieren. Man könnte umgekehrt auch sagen, dass vor allem das vierte Programm dieses „Nach der Angst“ viel zu wenig fokussiert. Ich habe auch überlegt, so ein richtiges „Eskapismus“-Programm zu kuratieren, mit lauter Feel-Good-Movies, aber das war mir zu wenig kritisch. Außerdem war mir die stilistische Bandbreite wichtig und die unterschiedlichen Animationstechniken. Es ist auch so ein bisschen ein Zeigen, was Animation alles kann.

Also mit deinem Fokus auf experimentelle Animation hab ich mir gedacht – und dass ohne vorher ins Programm zu schauen – dass du bestimmt auch einen Block nur abstrakte Filme zeigst, weil man auch sagen könnte: Nach der Angst ist alles aufgelöst, da gibt es keine Konstanten mehr. Gibt es einen Grund, dass du dich dagegen entschieden hast?
Ich habe ja schon einige abstrakte Programme kuratiert, aber es haben sich hier andere Dramaturgien und Übergänge ergeben, und ich wollte das Publikum irgendwie abholen. Nachdem ich vorher noch nie bei der DOK Leipzig war, war ich mir nicht ganz sicher, ob ein komplett abstraktes Programm passt. Ich habe aber in jedem Programm zumindest eine experimentelle oder abstrakte Animation wie „re:animated sparta“ oder „Don´t touch me when I start to feel safe“ untergebracht.

Ich habe das Gefühl, es sind relativ wenige Filme im Programm, die diese „Nach der Angst“-Stimmung, die ja im Programmheft sehr konkret mit Begriffen wie Trump besetzt wird, aufgreifen. War es eine programmatische Entscheidung zu sagen: Angst ist eher ein zeitloses Gefühl, das viel mehr im Urzustand des Mensch-Seins verankert ist als in irgendeiner Aktualität?
Ja diese Krisenfilme … also wenn ich ehrlich bin, kann ich die nicht mehr so richtig sehen. Ich bin ja vom Festival relativ kurzfristig angefragt worden: Hätte ich für die Selektion etwas mehr Zeit gehabt, wäre ich vielleicht noch stärker in die politische Richtung gegangen, aber nicht für ein komplettes Programm, das wäre mir zu didaktisch geworden. Aber es sind Animationen wie „Handygesetz“ oder „Carface“ enthalten, die Themen wie die mediale Überwachung oder die Vogelstrauß-Politik der Autoindustrie überspitzen. Außerdem es sind Filme über die Auswirkungen des Syrien-Kriegs wie „Life Cycles„, „Women’s Work“ und „Their Cats as Well“ drin. Auch feministische Perspektiven waren mir wichtig, beispielsweise bei „Pussy“ oder „Birth“ – wo es um weibliche Sexualität oder Ängste geht, die einer jungen Frau vor der Geburt eingeredet werden. Das begreife ich schon politisch.

Gab es einen Film, bei dem du happy warst, dass du ihn endlich mal programmieren konntest, weil es vorher den Kontext nicht gab, ihn so zu setzen?
Schön finde ich immer, wenn ich historische Juwelen wie „Hands up, Mr. Rasnitchi!“ zeigen kann, der für die österreichische Animationsgeschichte wichtig ist, und „The Great Fear„, weil hierzulande nicht so viele die Zagreb School of Animation kennen. Ich programmiere immer irrsinnig gern Anna Vasof, weil ich sie als ganz tolle Künstlerin empfinde. Wer super funktioniert und wen ich häufig programmiere ist „re:animated sparta“ von Holger Lang, und „World of Tomorrow“ von Don Hertzfeldt, die kann man nicht genug sehen. Für mich neu entdeckt habe ich „Ich kann es mir sehr gut vorstellen“ von Daniel Šuljić. Der ist kurz, der ist prägnant, der ist klar in seiner Bildsprache – er thematisiert wirkliche Angst und ist trotzdem lustig.

Die Fragen stellte Marie Ketzscher.

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