Berlinale 2017: Interview zu „As duas Irenes“

Interview "As duas Irenes": Ein Vater - zwei Familien


Die beiden Irenes: Priscila Bittencourt und Isabela Torres. Copyright: Roseira Filmes and Lacuna Filmes

Die beiden Irenes: Priscila Bittencourt und Isabela Torres. Copyright: Roseira Filmes and Lacuna Filmes

In „As duas Irenes“ entdeckt die 13-jährige Irene die geheime Zweitfamilie ihres Vaters und findet zwischen erster Liebe und der neuen Freundschaft zu ihrer Halbschwester zu ihrer eigenen Identität. Die zarte und berührende Geschichte begeisterte das Publikum bei der Berlinale 2017, läuft seither weltweit auf Festivals und gewann zahlreiche Preise.
Berliner Filmfestivals-Autorin Stefanie Borowsky traf den brasilianischen Regisseur und Drehbuchautor Fabio Meira und die beiden Hauptdarstellerinnen Priscila Bittencourt und Isabela Torres zu einem Gespräch über einen Vater und sein Doppelleben, Küssen im Kino und eine alte Familiengeschichte.

In „As duas Irenes“ geht es um einen Mann und dessen geheime Zweitfamilie. Seine Tochter entdeckt zufällig, dass ihr Vater noch eine zweite Frau und eine zweite Tochter in ihrem Alter hat, die sogar denselben Namen trägt wie sie selbst – Irene. Wie ist die Idee entstanden? Was hat Sie zu der Geschichte inspiriert?
Fabio Meira (FM):
Es gab in meiner Familie eine Geschichte, die mich inspiriert hat. Als ich genauso alt war wie die beiden Irenes, nämlich 13 Jahre, fand ich heraus, dass mein Großvater mehrere außereheliche Kinder hatte, inklusive zweier Töchter mit demselben Namen. Ich hatte die Geschichte zwischenzeitlich ganz vergessen, aber eines Tages kam die Erinnerung zurück und ich entschied, darüber ein Drehbuch zu schreiben. Meine Tante hat eine Schwester mit demselben Namen, aber sie hasste die ganze Geschichte. Sie wollte nicht darüber sprechen. Also stellte ich mir vor, was passiert wäre, wenn meine Tante mutig genug gewesen wäre, herauszufinden, wer ihre Schwester ist.

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Der Vater der beiden Irenes bewegt sich in zwei Familien und in zwei sozialen Schichten. Seine offizielle Familie ist wohlhabend, während seine geheime Familie in einfachen Verhältnissen lebt. Warum war Ihnen das wichtig? Was war Ihre Intention?
FM:
Der Vater kommt ursprünglich aus einer sozial schwächeren Schicht als seine offizielle Familie. Wir sehen, dass er sich in seiner Zweitfamilie sehr wohlfühlt. Er isst dort zum Beispiel das, was er gern isst, und er lacht, während es in der offiziellen Familie sehr viel strenger zugeht. Dort gibt es strenge Regeln, zum Beispiel zum Thema Höflichkeit. Der Vater hat also einen sozialen Aufstieg in und mit der offiziellen Familie erlebt, aber es gibt noch eine andere Seite seiner Persönlichkeit, die ihm sehr wichtig ist. Das zeigt sein Doppelleben, diese zwei Seiten, diese zwei Hälften. Wir haben im Grunde alle zwei Seiten in uns, auch widersprüchliche Seiten und widersprüchliche Wünsche.

Immer wieder gibt es Spannungsmomente zwischen Irene und ihrem Vater, in denen Irene Andeutungen macht, aber nie ausspricht, dass sie von der Zweitfamilie weiß. Der Vater reagiert nicht. Was sagt das über den Charakter des Vaters aus?
FM:
Ich sehe ihn als eine Figur mit einem sehr komplexen Innenleben und einer komplexen Innenwelt, die mit sich selbst im Konflikt steht in diesem Dilemma, weil er diese zwei Familien hat, die ihm beide wichtig sind. Ihm ist bewusst, dass er beiden Leid zufügt. Er ist sehr ruhig, spricht nicht viel, aber in ihm spielt sich viel ab. Ich wollte, dass Tonico wenig Dialog hat. Seine Präsenz ist so stark, dass er immer präsent ist – auch in Abwesenheit. Es war sehr wichtig, dass ihn ein berühmter Schauspieler spielt. Die Zuschauer sollten in seinen wenigen Szenen schnell einen Zugang zu seiner Figur finden. Außerdem ist Marco Ricca ein wirklich guter Schauspieler!

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