Interview mit Bernd Buder, Programmdirektor Filmfestival Cottbus

Bernd Buder: „Wenn man sich mit Film und Osteuropa beschäftigt, setzt man sich zwangsläufig mit Politik auseinander.“


Bernd Buder, Programmdirektor des FilmFestival Cottbus. Foto: FFC/ Goethe

Kurz vor dem Start der 28. Ausgabe des FilmFestival Cottbus hat sich Berliner Filmfestivals mit dem Programmdirektor Bernd Buder getroffen und sich über das diesjährige Programm unterhalten. Im Gespräch schwärmt er von der Vielfalt des osteuropäischen Kinos und lädt dazu ein, sich in Cottbus darauf einzulassen und damit auseinander zu setzen. Der Wettbewerb umfasst zwölf internationale Beiträge, die sich alle mit persönlichen Geschichten befassen, aber wichtige, kritische Denkansätze über gesellschaftliche Strukturen und Konflikte anbieten. Vertreten sind nahezu alle Filmgenres wie Thriller )mit dem neuen Film von Ivan I. Tverdovsky „Jumpman„), Satire (mit „Müll auf dem Mars“ von Benjamin Tucek) oder auch Beziehungsdramen (z.B. „Via Carpatia“ von Klara Kochanska).

Welche Schwerpunkte haben Sie für das Programm in diesem Jahr gelegt?
Bernd Buder: Der einzige Schwerpunkt ist es, die Vielfalt des osteuropäischen Kinos zu zeigen. Das ist unser Anspruch und auch unsere Aufgabe als Osteuropa-Festival. Wir haben das Glück eine Nische zu besetzen, das bedeutet, dass wir ein Territorium in seiner Gesamtheit erfassen und alles vom Autorenfilm bis zu Blockbustern berücksichtigen können. Der Wettbewerb soll die ästhetische und inhaltliche Bandbreite des osteuropäischen Kinos abbilden. Und sich auch abheben von dem was als an osteuropäischem Kino gängige Handelsware auf internationalen Arthouse-Festivals ist. Wobei wir auch Arthouse zeigen, es ist ein wichtiger Bestandteil des Kinos. Aber wir machen die Beobachtung, dass es immer wieder ähnliche Filme sind, die Jahr für Jahr aus Osteuropa kommen und von der Semaine de la critique bis zu Venedig und Locarno durch die Festivals touren. Es besteht eine bestimmte Erwartungshaltung an das osteuropäische Kino, dass die Filme eine bestimmte Art von Kontemplation besitzen, wenn man es positiv ausgedrückt, oder negativ ausgedrückt, düster sind. Wir versuchen, hinter diese Klischees zu gucken. Wir stellen uns die Frage, was Osteuropa noch leisten kann und was Osteuropa nicht nur im Film, sondern auch an Kultur und Betrachtungen geben kann. Es dürfen auch kommerziellere Filme dabei sein. Hauptsache es handelt sich um Filme, die einen besonderen Anspruch haben und die Gesellschaft aus einem bestimmten Blickwinkel analysieren. Auch kommerzielle Filme können sehr originell sein. Was man gerade bei Polen sehen kann mit dem Film „Clergy/Kler„.

Welche Gemeinsamkeiten haben die Filme?
Es gibt einen traditionellen Punkt, in dem das osteuropäische Kino sehr stark ist. Das ist, Geschichten einerseits sehr persönlich zu erzählen, aber auf der persönlichen Ebene sehr exemplarisch zu sein, ohne dabei ein Statement bereit zu haben. Osteuropäische Filmemacher waren immer gezwungen, Botschaften zwischen den Zeilen zu vermitteln, da man irgendwie an der Zensur vorbei musste. Und man muss auch heute in vielen Ländern, so erzählen, dass man nicht in die Bredouille gerät was Filmförderung angeht. Das betrifft Russland, zum Teil Ungarn, es könnte irgendwann auch Polen betreffen, das ist jetzt noch nicht so. Dadurch ist diese starke Tradition erwachsen, dass man gesellschaftliche Anliegen und Befunde, eher diskutiert, als dass man ein Statement abgibt. Das hat mich schon immer fasziniert am osteuropäischen Kino.

Ist es die Intention des Festivals, politisch zu sein?
Wenn man sich mit Film und Osteuropa beschäftigt, setzt man sich zwangsläufig mit Politik auseinander. Mitte der 1990er Jahre habe ich mit der Arbeit in Cottbus begonnen, damals waren die Zerfallskriege im damaligen Jugoslawien am abklingen, dann gab es diese Annäherungswelle an Europa und den Willen zum EU-Beitritt, jetzt befürchten wir ein Auseinanderdriften von Europa. Es ist immer politisch, es ist automatisch politisch, man kommt an der Politik nicht vorbei. Es gibt dieses berühmtes osteuropäische Bonmot „Wenn du dich nicht mit Politik beschäftigst, beschäftigt sie sich mit dir“. Aber es gibt weiterhin eine Erwartungshaltung ans osteuropäische Kino, die bedient werden will. Wie zum Beispiel bei der Ukraine, da ist die Erwartung, dass sich der Film um den Krieg im Donbass handeln soll. Und in Serbien soll es um die Bewältigung der Kriegsfolgen gehen. Deswegen bin ich froh über jeden Film, der aus Osteuropa kommt und sich nicht mit Politik beschäftigt. Trotz allem ist ein Kriterium für mich, einen Film auszuwählen, dass es ein guter Film ist.

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