BFF on the Road: Zu Besuch beim 24. Busan International Film Festival in Südkorea

Busan 2019: Asiens Kino im Schaufenster


Joe Odagiri zeichnet in „They Say Nothing Stays the Same“ ein Bild eines Landes, das die Moderne verändert. © BIFF 2019

Konzentration auf gesellschaftliche Konflikte und Dynamiken

Was viele der aktuellen Produktionen aus Asien im Programm des Festivals gemeinsam haben, ist eine gewisse Konzentration auf gesellschaftliche Konflikte und Dynamiken. Die erzählten Geschichten stellen persönliche Schicksale in den Vordergrund, durch die allgemeingültigere Aussagen zu sozialen Realitäten sichtbar gemacht werden. Zu den außergewöhnlicheren Protagonisten gehören beispielsweise die beiden Männer in „Suk Suk“ von Ray Yeung. Der Film aus Hong Kong beschäftigt sich mit dem Thema Homosexualität. Die beiden Männer sehen sich verpflichtet, ihre sexuelle Neigung vor ihren Familien geheim zu halten. Einer von ihnen lebt in einer Ehe und holt sich regelmäßig Ausflüchte in einer Parallelgesellschaft, ohne dass das vordergründige harmonische Familienkonstrukt dadurch leidet. Auch wenn das Melodram an einer etwas uneinheitlichen Ausarbeitung und einem tendenziell übermäßigen Pathos leidet, zeigt es nicht nur die Schwierigkeiten, die für Homosexuelle in Asien, selbst in einer der modernsten Gesellschaften wie Hong Kong, in Bezug auf Akzeptanz bestehen, sondern an sich wie wenig Platz für alternative Familienformationen, Rollenverteilungen und an sich für persönliche Intimität ist.

Um Ausgrenzung nach einzelnen Verfehlungen oder auf der Basis eines simplen Äußeren und anderen Merkmalen geht es in einer Vielzahl anderer Filme. Besonders eindrücklich entfaltet der Thriller „The Promised Land“ aus Japan von Regisseur Takahisa Zeze auf mehrschichtige Weise wie Nachbarn zu Feinden werden. Ein Mädchen verschwindet und lange passiert nichts, bis ein weiteres verschwindet und plötzlich Verwürfe gegen einen der Einwohner des Dorfes aufkommen. Endlich ergibt sich die Gelegenheit, die ganze Wut, Trauer und Ohnmacht auf einen Sündenbocks zu projezieren. Der Film thematisiert auch, wie sich eine Gruppe im Schneeballprinzip an sich selbst hochschaukelt und ausgehend von einer Lüge oder einem Gerücht, ein komplettes Feindbild erschafft.
Genauso beklemmend entwickelt sich auch ein anderer japanischer Beitrag, in dem es um Korruption, Macht und Status geht. „The Murders of Oiso“ ist eine Co-Produktion aus Japan, Hong Kong, China, Korea mit Takuya Misawa als Regisseur. Hier ist es der verwöhnte Sohn eines Bauunternehmers, der unter seinen Freunden und Schulkameraden ein Angstregime aufrecht erhält. Außergewöhnlich an diesem Film ist seine Form, die zuletzt die Frage aufwirft, ob es sich um ein Gedankenexperiment in Gestalt einer Traumvorstellung handelt oder um einen realistischen Kriminalfall.

Einer der filmischen Höhepunkte des Festivals stammt ebenfalls aus Japan und bietet eine ruhige und poetisch-erzählte menschliche Parabel. Joe Odagiri inszeniert in „They Say Nothing Stays the Same“ mit reduzierten Mitteln die Geschichte eines alten Fährmannes, der seit Jahrzehnten die Bewohner zweier Dörfer von der einen auf die andere Seite des großen Flusses hin- und zurückfährt. Er gilt als geschätzter Mann, der seinen Dienst ohne Entgelt verrichtet und nur bei Fremden eine kleine Gebühr verlangt. Beschrieben wird hier eine Gemeinschaft, die auf gegenseitigen Hilfeleistungen basiert und in der Traditionen noch weitgehend ungebrochen sind. Mit dem Bau einer Brücke über den Fluss droht die alte Ordnung auseinander zu fallen. Mit dem unvermeidbaren Einzug der Moderne werden Lebensrhythmus und Lebensqualität eine neue Bedeutung finden. Die Zeichnung des Charakters der Hauptfigur wirkt tiefgründig, differenziert und romantisch-hoffnungsvoll.

Das Festival in Busan ist ein Festival des Publikums, wie sich das immer auch die Berlinale auf die Fahne schreibt. Nur bedeutet dies in diesem Fall, dass auch die Filmauswahl dem Geschmack des Publikums Rechnung trägt und beispielsweise einen großen Anteil an Komödien, Thrillern und anderen Kriminalgeschichten vertreten sind. Dies bedeutet aber in keinem Fall, dass sich das Festival nicht politisch engagiert. Abgesehen davon, dass die sogenannten Genre-Filme fast immer von gesellschaftlichen Missständen erzählen und damit an sich Politikum sind, treten von Ausgabe zu Ausgabe verschiedene Themen in den Fokus.

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