Regisseur Christian Alvart im Interview zu „Freies Land“

Alvart: "Angst bestimmt unser Handeln"


Laut Trystan Pütter sind Sie ein „ein absoluter Cineast, ein visueller Virtuose, ein One-Take-Wonder.“ Ein schöner Blumenstrauß an Lob. Wie beurteilen Sie umgekehrt Pütter?
Trystan Pütter hat, deswegen wollte ich ihn unbedingt, Charme und Charisma das ihn sofort „likeable“, würde man im Englischen sagen, macht. Man hat sofort Sympathie mit ihm. In allen Rollen, die er spielt, ist mir das aufgefallen. In dieser „Ku’damm„-Serie hat sein Charakter auch zwielichtige Seiten, aber er ist jemand, der wahnsinnige Empathie auslöst. Man hat das Gefühl, man könne ihm beim Denken verstehen, auch wenn er nicht redet. Das hat er oft erreicht, indem er flippig und charmant daherkam. Das durfte er in der Rolle nicht. Er schafft es aber trotzdem, diese Qualität mit in die Rolle zu bringen.

Sie haben sein Spiel reduziert…
Ich brauchte jemand an den man trotz der Verschlossenheit andocken kann. Das ist ein eine Qualität, die kann man nicht lernen, die hat er einfach. Das ist eine ausgezeichnete Leistung, trotz dieser Reduktion mit einer Rampensau wie Felix Kramer mitzuhalten. Die beiden funktioniert als ausgeglichenes Duo.

Zu den One-Takes, was gewinnen Sie dadurch?
Ich arbeite in einem Genre, das in Deutschland finanziell nicht sehr üppig ausgestattet ist. Wenn man sich erlauben will, solche Filme zu machen, bleibt nur die Möglichkeit, die günstig herzustellen. Einer der Wege dahin ist, dass ich quasi bei laufender Kamera probe. Ich fange mit Einstellungen an, die für bestimmte Momente gedacht sind, nicht für die gesamte Performance. Ich schaue mir an, was die Schauspieler da machen. Korrigiere das, mache eine zweite Einstellung. Die erste ist vielleicht die Totale, die zweite vielleicht der Rücken, die dritte ein Insert. Dabei entwickle ich die Performance. So merke ich, jetzt sind wir eingespielt und warm, jetzt kommt das Close-Up. Bis dahin haben wir das vier-, fünfmal gemacht. Das Close-Up, das in Wahrheit der fünfte oder sechste Take ist, ist so das erste Mal, dass die Kamera nah dran ist. Ist dieses erste Mal gut, sehe ich keinen Grund das zu wiederholen. Ich nehme das. Das hat auch mit dem Zeitdruck zu tun. Der Schauspieler hat so den Eindruck, dass er die Szene nur einmal machen durfte, aber in Wahrheit hat er sie zu dem Zeitpunkt schon ein paar Mal gespielt. Deshalb weiß ich auch, was ich kriege, wenn die Kamera vor ihm steht.

Sie haben in den USA gedreht. Gibt es Momente, in denen Sie das Geld und die Möglichkeiten vermissen?
Nein, das ist eine bewusste Entscheidung. In den USA bin ich trotzdem vertreten. Ich habe nach wie vor kleine Angebote, die interessant sind. In der Abwägung ist es in letzter Zeit häufig der deutsche Film geworden. Kleineres Besteck, kleinere Teams, kleinere finanzielle Mittel bedeuten mehr Kreativität.
Ich habe dort sehr unter den Einschränkungen gelitten. Die ganz großen Sachen bekommen oft kleinere Regisseure angeboten. Wenn man darauf achtet, wer die Franchises macht, das sind nicht die großen Namen, sondern die, die ein, zwei kleinere Erfolge hatten. Man ist da ein Rädchen im Getriebe. Diese Jobs sind wahnsinnig zermürbend. Die habe ich alle abgelehnt.

Was hat „Freies Land“ dem voraus?
Das ZDF und Telepool haben meine Vision, bis in den Schnitt, wo ich ansonsten als Künstler zerstört werde, unterstützt. Auch in der Länge. Es ist mutig, den Film atmen zu lassen und ihn so ins Kino zu bringen. Hätte der 30 Millionen gekostet, hätte ich das nie gedurft. Ich liebe diese Art Kino. Ich mag nicht, dass heute jede Millisekunde aus den Filmen raus geschnitten wird.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

Der Thriller Freies Landist ab dem 9. Januar 2020 bundesweit in den Kinos zu sehen…

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