„Man erkennt, dass es oft nicht viel braucht, um abzurutschen.“ – Interview mit David und Saša Vajda, Regisseure von JESUS EGON CHRISTUS


Paul Arámbula in JESUS EGON CHRISTUS von David Vajda, Saša Vajda © vajda film UG

Paul Arámbula in JESUS EGON CHRISTUS von David Vajda, Saša Vajda © vajda film UG

Ihr arbeitet vor allem mit einem Handkameraästhetik. Wieso war das wichtig für den Film?
SV: Es war zum Teil auch eine ökonomische Frage, aber vor allem entspricht es dem Grundsatz, mit der Kamera immer dort zu sein, wo das Geschehen ist. Mit diesem Prinzip sind wir performancenah und schauspielerfreundlich. Die Kamera wirkt, meiner Meinung nach, zudem anstachelnd für den Darsteller. Sie soll ihn nicht einschüchternd, aber das Geschehen anstossen.

DV: Wir wollten spontan reagieren können, ohne erst lange nach dem richtigen Winkel suchen zu müssen. Die Darstellen sollten frei sein und sich in jede Richtung drehen können, daher war die Handkamera eine logische Konsequenz. Sie ist sehr unmittelbar, immersiv und führt zu einem gewissen Realismus. Es war uns auch wichtig, dass wir die Mittel reduzieren und die Essenz nicht aus dem Blick verlieren.

Diese Ästhetik gibt dem Film auch etwas Dokumentarisches.
SV: Damit spielen wird. Denn es ist alles fiktionalisiert, auch das Voice-over. Es ist nicht wichtig, dass das Gezeigte real ist, sondern es so real darzustellen, dass man glauben könnte es sei echt.

DV: Selbst das Archivmaterial, das die Vergangenheit der Protagonisten dokumentiert, haben wir selber gemacht.

Welche waren die größten Herausforderungen?
DV: Da wir mit Darstellern mit einer Drogenabhängigkeit arbeiteten, hatten wir vor allem vor dem Dreh Schwierigkeiten, uns auf sie verlassen zu können. Mit Drehbeginn lief es dann sehr gut. Da wir ein sehr kleines Budget hatten, eines, das eigentlich für ein Kurzfilm veranschlagt wird, mussten wir sehr reduziert arbeiten. Dies brachte dem aber auch seinen Charme und eine noch größere Unmittelbarkeit.

SV: Die Recherchearbeit über zwei Jahren hinweg war sehr schwer. Wir haben in der Drogenszene verkehrt und viele harte Schicksale gesehen. Angelo beispielsweise hat uns über drei Jahre begleitet und wir sind noch in Kontakt. Es hat gedauert bis wir das Vertrauen der Einzelnen gewinnen konnten und wir sind dankbar für den Mut, den Sie aufgebracht haben, um diese harten Realitäten darzustellen.

Was hat euch die Arbeit am Film persönlich gebracht?
SV: Durch diese lange Zeit, durch diese Auseinandersetzung, habe ich einen viel genaueren Blick für mein Umfeld gewonnen. Abgesehen vom Film haben wir eine soziologische Studie unserer Umgebung unternommen. Man lernt dazu, man wird sich der eigenen Privilegien bewusster und erkennt, dass es oft nicht viel braucht, um abzurutschen. Ich mag die Menschen, die am Film mitgewirkt haben sehr gerne. Ich habe viel gelernt, auch aus der Perspektive des Filmemachens, denn wir sind Autodidakten.

DV: Es war interessant zu sehen, wie gewisse Vorurteile demontiert wurden. Abhängigkeit geht durch alle Sozialklassen. Trotzdem zeichnet sich eine schwere Kindheit oder ein Traumata in der Kindheit als roter Faden durch das Leben der Menschen, die wir kennengelernt haben. Wir haben festgestellt, dass die meisten uns nicht ganz unähnlich sind, aber Pech hatten, aus ökonomischer Sicht oder in Bezug auf wen sie getroffen haben im Laufe des Lebens. Es war insgesamt eine sehr schöne Erfahrung mit allen, diesen Film zu drehen.

Die Fragen stellte Teresa Vena.

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