Die 93. Academy Awards – Ein Rückblick
Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust
Als Ryan Coogler, Regisseur von BLACK PANTHER (2018 USA) und als Produzent von JUDAS AND THE BLACK MESSIAH (Shaka King, 2021 USA) dieses Jahr für einen Oscar nominiert, 2016 die Einladung erhielt, der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die die Oscars verleiht, beizutreten, lehnte er ab. In einem Interview mit dem Hollywood Reporter erklärte er kürzlich: „I don’t buy into this versus that, or ‚this movie wasn’t good enough to make this list‘. I love movies. … For me, that’s good enough. If I’m going to be a part of organizations, they’re going to be labor unions, where we’re figuring out how to take care of each other’s families and health insurance. But I know that these things bring exposure.“ Coogler unterscheidet hier ganz konkret zwischen der Wettbewerbsmentalität der Oscars und der gemeinschaftlichen Atmosphäre von Gewerkschaften.
Diese Gegenüberstellung ist nicht nur aus kreativer Perspektive relevant, sie trifft auch den historischen Kern der Oscars. Denn Louis B. Mayer, Mitbegründer des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer, entwickelte die Idee der Academy of Motion Picture Arts and Sciences und ihrer Oscars auch, um der Bildung von Gewerkschaften von Drehbuchautor*innen, Schauspieler*innen und Regisseur*innen vorzubeugen. Er hoffte, dass der Wettbewerb einerseits jegliche Solidarität im Keim ersticken und die Preisverleihung andererseits der noch jungen und skandalumwitterten Filmindustrie eine gewisse Ernsthaftigkeit verleihen würde, womit er Recht behalten sollte.
„I love movies. … For me, that’s good enough,“ sagt Ryan Coogler. Damit erinnert er auch daran, dass die groß angelegte Bewertung von Filmen oft willkürlich ist. Denn was macht den „besten“ Film eigentlich aus? Pressearbeit spielt dabei eine ebenso zentrale Rolle, wie persönlicher Geschmack und Kalkül. Die Frage ist auch, wer über die Oscars entscheidet. Ursprünglich war die Organisation als Netzwerk der Mächtigen angelegt. Mitglied kann auch heute nur werden, wer eine Einladung erhält. Das kann nach einer Oscar-Nominierung passieren oder durch die Lobbyarbeit von wenn zwei Mitgliedern. Wobei es wichtig ist zu erwähnen, dass sich die „Academy“ in den letzten Jahren intern um Diversität bemüht hat.
Im Bezug auf die Filme, die gewürdigt werden, gibt es aber immer noch ganz konkrete Unsichtbarkeiten. Dieses Jahr schrieb schon vor der eigentlichen Preisverleihung Geschichte, nicht nur weil mit Ryan Coogler, Charles King und Shaka King drei Schwarze Produzenten für den besten Film nominiert waren, sondern auch weil mit Chloé Zhao für NOMADLAND (2020, USA) und Emerald Fennell für PROMISING YOUNG WOMAN (2020, UK/US) zwei Frauen in der Kategorie beste Regie antraten. Dass es 93 Jahre gedauert hat, um diese kleinen Meilensteine zu erreichen, ist allerdings ein trauriger Rekord. Und auch wenn es wunderbar ist, dass Chloé Zhao am Ende gewann und NOMADLAND dazu noch den Preis für den besten Film abräumte, ist es doch auch reichlich spät. Zur Problematik der Repräsentation kommt eine verzerrte Wahrnehmung im Bezug auf Genre. Komödien, Action- und Horrorfilme werden selten nominiert und noch seltener ausgezeichnet. Nur in technischen Kategorien wie visuelle Effekte, Ton, Kostüme oder Make-up und Frisuren finden sie regelmäßig Erwähnung.