interfilm 2021 (16. bis 21. November)
Den Blick erweitern: Das Internationale Kurzfilmfestival interfilm 37
Eines der schönsten, spannendsten und ältesten Berliner Filmfestivals, das Internationale Kurzfilmfestival Berlin, interfilm, findet in diesem Jahr zum sage und schreibe 37. Mal statt. Das Festival, das über die Jahre eine treue Fangemeinde aufbauen konnte, gab es trotz Pandemie auch im vergangenen Jahr und es zeigte damit, dass eine, notgedrungen recht kurzfristige, Umdisponierung auf ein digitales Festival nicht nur möglich, sondern auch sehr erfolgreich sein konnte. Dennoch leben Filmfestivals natürlich auch vom einzigartigen Erlebnis, einen Film auf der großen Leinwand sehen zu können und vom gemeinsamen Rezipieren der Filme. Interfilm bietet Kurzfilmen den Raum, sich zu entfalten, nachzuwirken und besticht jährlich durch ein sorgsam kuratiertes, vielfältiges Festivalprogamm.
Die Möglichkeit, einzigartige Kurzfilme auf großer Leinwand erleben zu können, wird es nun vom 16. bis 21. November 2021 wieder geben, wenn das Festival erstmals hybrid stattfindet. Als Hybrid-Festival bieten sich bei interfilm wunderbar inklusive Optionen: digitale und physische Screenings. So kann jede*r Interessierte an dem Festival teilnehmen – auf die eine oder die andere Art.
Die physische Eröffnung von interfilm findet am 16. November statt, das digitale Programm beginnt am Mittwoch, 17. November, auf der Streamingplattform Sooner. Sooner war bereits im vergangenen Jahr an der digitalen Ausgabe des Festivals beteiligt.
Eröffnet wird das Festival traditionell in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wo auch die Programmpunkte Eject und Sound & Vision – die Live-Vertonung von Kurzfilmen – präsentiert werden. Um das Risiko zu minimieren gilt beim physischen Festival die 2G-Regel.
Als Festival-Spielort wieder mit dabei ist mit drei Sälen das Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. Das charmante ACUDKino in Berlin-Mitte, das auch in diesem Jahr trotz der Pandemie mit einem bislang beeindruckend reichhaltigen Programm aufwarten konnte, ist eine weitere Spielstätte von interfilm.
Zu einem festen Spielort ist das Zeiss Großplanetarium geworden. Die Events im beeindruckenden Kuppelsaal des Planetariums sind immer echte Highlights im stets lohnenswerten Festivalprogamm.
Einen Platz als Spielort von interfilm nimmt auch das Rollberg Kino in Neukölln seit Jahren ein. Weitere Spielstätten sind das Pfefferberg Haus 13 als Ort für die Interforum – Masterclasses, Seminare und Panels und das atmosphärische Pfefferberg Theater, das Filme aus den Sparten Feministisches Filmprogramm, Dokumentarfilm Wettbewerb 1& 2, Fokus Ungarn,Tanz & Choreographie Filme, Internationaler Wettbewerb und das Winning Films-Festival Preisträger Screening zeigt.
Zahlreiche beliebte Programmpunkte wie „Eject – Die lange Nacht des abwegigen Films“ werden also auch dieses Jahr wieder physisch stattfinden. Eject stellt ein buntes Potpourri kreativster Kurzfilmschöpfungen vor und sorgt damit für beste Unterhaltung. Es ist die mittlerweile 24. Ausgabe dieses Programmpunkts.
Beim Länderfokus können wir dieses Jahr auf tolle Beiträge aus Ungarn gespannt sein, etwa auf den dramatischen Experimentalfilm DARK CHAMBER von Otto Banovits, der 2018 schon einmal bei interfilm in der Reihe „Konfrontationen“ gezeigt wurde und auf den sehr berührenden Kurzfilm SZEZON UTÁN (AFTER SEASON, 2016) von Katalin Moldovai.
Zehn Spezialprogramme setzen während des Festivals einen Fokus auf weitere Länder, Themen und Genres. Spannend wird unter anderem der Blick auf Genrefilme im Spezialprogramm Genre Now! Slashing the Patriarchy mit Blick auf das Wesen des Horrorfilms.
Ein weiteres Programm beschäftigt sich mit dem Land Myanmar, das seit Jahrzehnten unter einer Militärherrschaft steht, und seiner Bevölkerung, der durch einen Militärputsch im Februar dieses Jahres viele demokratische Rechte brutal weggenommen wurden. Das Programm Spotlight: Myanmar zeigt 6 Filme aus diesem Land, die sich mit der politischen Situation und dem Leben in Myanmar beschäftigen.
Neben weiteren wichtigen Spezialprogrammen präsentiert die Reihe Queer Fever auch wieder ein tolles Programm verschiedenster Filme, diesmal mit Fokus auf der Vielfalt von Liebe und Liebenden.
Das Fachprogramm interforum, das jährlich Interfilm begleitet, setzt sich in diesem Jahr in unter anderem Pitches und Talks wieder mit aktuellen Themen der Filmindustrie auseinander. So geht es um Nachhaltigkeit beim Filmemachen (Action! – THINK GREEN as a filmmaker), die aktuellen Herausforderungen für Filmemacher*innen in Ungarn (Focus on: #freeSZFE & Current Filmmaking in Hungary) und feministisches Empowerment (Girls* Riot!).
Junge Kurzfilmfans und die, die es noch werden, können sich auf das liebevoll kuratierte digitale Programm des KUKI-Festivals freuen. Leider musste die traditionelle Eröffnungsfeier aufgrund der aktuell stark wachsenden Infektionszahlen in Berlin kurzfristig abgesagt werden. Auch die Schulvorstellungen sind von der Absage betroffen.
Ein vielfältiges Filmfestival wie interfilm, das durch sein Film- und Rahmenprogramm immer wieder Denkanstöße liefert, macht auf wichtige Themen und Diskurse aufmerksam, die vielleicht momentan etwas unterzugehen drohen. Den Blick zu erweitern ist daher gerade jetzt enorm wichtig. Dazu hat man ab dem 16. November beim 37. Internationalen Kurzfilmfestival Berlin, interfilm, eine tolle Gelegenheit.
Michaela Grouls
Im Folgenden findet ihr Tipps aus dem Programm von Stefanie Borowsky:
WALL #4
Darum geht es:
Das Kinopublikum findet den Film, der gerade über die Leinwand flimmert, nur mäßig spannend: Ein Mann schlägt wild um sich, eine Frau wirft sich ihm dennoch voller Leidenschaft an den Hals. Eine toxische Beziehung und deren Verharmlosung – das haben die Filmzuschauer*innen schon zu oft gesehen. Eine junge Frau tippt auf ihrem Smartphone herum, ein junger Mann bewirft seinen Sitznachbarn mit Popcorn und ein anderer ruft laut: „Was für ein Klischee!“ Doch das lästernde Filmpublikum hat nicht mit der prompt einsetzenden Reaktion der beiden Schauspieler*innen gerechnet…
Was du zum Film wissen musst:
Der niederländische Regisseur Lucas Camps, der auch für Drehbuch und Produktion verantwortlich zeichnet, durchbricht in WALL #4 die titelgebende vierte Wand und hält den Filmzuschauer*innen den Spiegel vor. Der 34-Jährige studierte an der Niederländischen Filmakademie, drehte bereits mehrere preisgekrönte Kurzfilme wie GREEN, GLIMP und DEADWOOD und führte Regie bei der niederländischen Jugendserie SPANGAS. Während des Lockdowns drehte er den Kurzfilm NO DOG IN AMSTERDAM, der zum Internethit avancierte. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
INTERNATIONALER WETTBEWERB: Exposing your Demons
Donnerstag, 18. November 2021, 20:00 Uhr, BABYLON 1
Freitag, 19. November 2021, 20:30 Uhr, ACUD KINO
STUDENT UNION
Darum geht es:
Es ist das Ende einer sommerlichen Studienfahrt. Am Bahnhof verteilen die Betreuer*innen bedruckte T-Shirts, die alle Teilnehmer*innen direkt anziehen – alle bis auf eine junge Frau. Ein paar Kommilitoninnen kümmern sich um sie und schnell wird klar, dass sie während der Reise sexualisierte Gewalt erlebt hat. Eine Mitstudentin informiert den Betreuer, der gegenüber der betroffenen jungen Frau allerdings Victim Blaming betreibt und ihr mit Konsequenzen droht, sollte sie den Vorfall öffentlich machen.
Was du Film wissen musst:
Hintergrund des neunminütigen Kurzfilms STUDENT UNION sind vor Kurzem bekannt gewordene sexualisierte Übergriffe auf Studienfahrten, die Student*innen in Ungarn üblicherweise vor dem ersten Studienjahr antreten. Regisseur György Mór Kárpáti drehte gerade seinen zweiten Spielfilm. Seine Arbeit ist unter anderem durch Andrea Arnolds (FISH TANK) sozialkritische Filme inspiriert. In STUDENT UNION entlarvt er den Mechanismus der Täter-Opfer-Umkehr. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
FOKUS UNGARN: Event of Dire Portent
Freitag, 19. November 2021, 18:30 Uhr, Babylon 2
Sonntag, 21. November 2021, 18:00 Uhr, ACUD Kino
DON VS LIGHTNING
Darum geht es:
Der in die Jahre gekommene Einzelgänger Don liebt das Fischen – und seine Ruhe. Doch als er mehrmals vom Blitz getroffen wird, zieht er ungewollt die Aufmerksamkeit des ganzen Ortes auf sich. Alle machen sich Sorgen und wollen ständig wissen, wie es Don geht. Seine Verehrerin Maggie klingelt sogar unangemeldet bei ihm und bringt ihm etwas zu essen. Das geht zu weit! Don möchte einfach nur allein sein – doch der nächste Blitz wartet schon auf ihn.
Was du zum Film wissen musst:
Das Regieduo Johnny Burns und Pier van Tijn nennt sich auch Big Red Button und drehte unter diesem Namen u.a. auch die Kurzfilme LA PRINCESA DE WOKING und GET STAFFED. In ihrem ruhigen, skurrilen Zwölfminüter DON VS LIGHTNING widmen sich die Regisseure einem leicht verschrobenen alten Kauz, der im ländlichen Schottland lebt und von der Naturgewalt aus seinem täglichen Trott und seiner Einsamkeit gerissen wird. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
INTERNATIONALER WETTBEWERB: Riding the Whirlwind
Freitag, 19. November 2021, 18:00 Uhr, Babylon 1
Samstag, 20. November 2021, 18:30 Uhr, Babylon 2
OBERVOGELGESANG
Darum geht es:
Während einer kurzen Zugfahrt in ihren Heimatort Obervogelgesang in der Sächsischen Schweiz konfrontiert ein Berliner Pärchen, das zum Wandern nach Sachsen gekommen ist, eine Teenagerin damit, wie verbreitet rechtes Gedankengut dort sei. Als die junge Frau daraufhin eine ans Zugfenster geschmierte rechte Parole entdeckt, setzt sie sich damit auseinander, ob sie etwas gegen die dahinterstehende Ideologie tun kann – und wenn ja, was.
Was du Film wissen musst:
In ihrem sechsminütigen Animationsfilm OBERVOGELGESANG, der an der Filmakademie Baden-Württemberg entstand, widmen sich Elias Weinberger und Ferdinand Ehrhardt auf anschauliche Weise dem Thema Rechtsextremismus aus der Perspektive einer in Sachsen lebenden Teenagerin, die ihren persönlichen Weg sucht, gegen Rechtsextremismus anzukämpfen. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
DEUTSCHER WETTBEWERB: Hier hast du Hände, jetzt kannst du tun.
Mittwoch, 17. November 2021, 18:00 Uhr, Babylon 1
Freitag, 19. November 2021, 20:30 Uhr, Pfefferberg Theater
VIEW
Darum geht es:
Eine idyllische Straße mit kleinen, alten Häusern in einem friedlich wirkenden Städtchen in Norwegen. Plötzlich schiebt sich ein Koloss ins Bild, der so gar nicht in die Umgebung passen will und sie zu erdrücken scheint – ein riesiges Kreuzfahrtschiff. Menschen stehen auf den vielen Decks und Schiffsbalkonen und fotografieren, aus dem Schornstein steigt Ruß empor. Schon bald kommt das nächste Riesenschiff in dem kleinen Hafen an. Dort erwarten Stadtführer*innen die Menschenmassen, die von den Schiffen herunterströmen.
Was du zum Film wissen musst:
Odveig Klyve, Jahrgang 1954, ist nicht nur Kurzfilmregisseurin, sondern auch Schriftstellerin, und veröffentlichte Gedichte und Kinderbücher. Sie lebt im südwestnorwegischen Stavanger, wo der vierminütige VIEW spielt. In beeindruckenden und beängstigenden Bildern, die ohne jeglichen Kommentar auskommen, zeigt Klyve in VIEW, wie eine recht kleine Hafenstadt vom internationalen Kreuzfahrttourismus überrannt wird. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
UMWELTFILM-WETTBEWERB: Wasteland Adventure
Donnerstag, 18. November 2021, 18:00 Uhr, ACUD Kino
Freitag, 19. November 2021, 18:30 Uhr, Zeiss-Großplanetarium Kino
SPEZIALPROGRAMME: Reality Bites
Freitag, 19. November 2021, 20:30 Uhr, Babylon 2
Samstag, 20. November 2021, 21:00 Uhr, Zeiss-Großplanetarium Kino
Außerdem online beim Eyes Wide Open Online Award.
POINTE BLACK
Darum geht es:
Während sie allein in einem Ballettsaal tanzt, erinnert sich die schwarze Balletttänzerin Marie-Astrid Mence aus Paris an ihre Anfänge und reflektiert ihren schwierigen Werdegang in einer harten Branche, in der Diversität noch nicht zum Alltag gehört, rassistische Beleidigungen Mences Erfahrungen nach dagegen schon. Immer wieder muss Mence sich anhören, sie werde es nie als Balletttänzerin schaffen – wegen ihres Körperbaus und ihrer Hautfarbe. Oft wollte sie aufgeben, litt an Depressionen. Doch als Misty Copeland 2015 die erste afroamerikanische Solotänzerin des American Ballet Theatre wird, fasst Marie-Astrid Mence neuen Mut.
Was du zum Film wissen musst:
Die britische Regisseurin Rebecca Murray ist auch Tänzerin und Choreographin. Ihre tänzerische Ausbildung erhielt sie u.a. an der renommierten Royal Ballet School. Bevor sie eigene Filme drehte, machte sie sich als Regieassistentin und als Set-Runner u.a. bei Tim Burtons DUMBO-Filmdreh einen Namen. In ihrem fünfeinhalbminütigen dokumentarischen Kurzfilm POINTE BLACK legen Murray und Mence rassistische Strukturen und Denkmuster in der Ballett- und Tanzszene offen. Marie-Astrid Mence tanzt seit 2014 bei BALLET BLACK, einer in London ansässigen professionellen Ballettkompanie, deren schwarze Tänzer*innen und Tänzer*innen mit asiatischen Wurzeln sich für mehr Diversität im Ballett einsetzen. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
SPEZIALPROGRAMME: Body Talk
Donnerstag, 18. November 2021, 18:30 Uhr, Babylon 2
Samstag, 20. November 2021, 20:30 Uhr, Pfefferberg Theater
Außerdem online beim Eyes Wide Open Online Award.
GRRRL
Darum geht es:
Leider kennen viele Frauen bzw. weiblich gelesene Personen die Situation, nachts auf dem Heimweg von Männern belästigt oder bedrängt zu werden. Zoe und ihre Mitstreiterinnen helfen ihnen und sind stets zur Stelle, um Frauen sicher nach Hause zu begleiten. Doch manchmal lauert die Gefahr plötzlich in den eigenen vier Wänden.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin und Drehbuchautorin Natascha Zink, geboren 1992, studiert Regie an der HFF München und gewann für ihren Kurzfilm ABBRUCH 2019 den Deutschen Nachwuchsfilmpreis. In GRRRL zeigt sie eindrucksvoll, wie allgegenwärtig Gewalt gegen Frauen ist – und dass sie auch von Männern ausgehen kann, von denen man es nicht erwartet hätte. – StB
Termine bei Interfilm 2021:
SPEZIALPROGRAMME: Girls* Riot!
Donnerstag, 18. November 2021, 18:00 Uhr, Pfefferberg Theater
Samstag, 20. November 2021, 18:00 Uhr, ACUD Kino