Italian Film Festival Berlin vom 10. bis 14. November 2021
Italiens Kino in Berlin
In der Kulturbrauerei in Berlin geht es vom 10. bis 14. November um den zeitgenössischen italienischen Film. Das Italian Film Festival Berlin (IFFB) feiert seine 8. Ausgabe. Während des Festivals ist, ebenfalls in der Kulturbrauerei, eine Fotografieausstellung mit Setbildern aus aktuellen Filmen und Serien zu sehen, die die Diversität der italienischen Landschaft zeigen.
Dem italienischen Film hat man für Generationen nach dem Neorealismus und Fellini eine Krise nachgesagt. Tatsächlich verschwand das Kino Italiens fast gänzlich aus den Programmen internationaler Festivals und nur noch selten schafften es Filme in die Kinoauswertung. Eine der wenigen Ausnahmen und Konstanten ist Nanni Moretti. Seit den 1980er Jahren hat er sich als Autorenfilmemacher einen Namen gemacht.
Ihm haftet der Titel „Woody Allen Italiens“ an, was abgesehen von der anglosaxonisch-zentrierten Weltsicht eine abwertende Seite hat, sich aber darin begründet, dass auch in Morettis Filmen viel gesprochen wird. Auch er spielt in den meisten seiner Film die Hauptrolle. Auch sein Protagonist ist ein Intellektueller der Oberschicht. Auch bei ihm dreht es sich oft um Liebe und schließlich um eine politische Positionierung als individualistischen Linken. Morettis Filme haben immer etwas Elitäres an sich, was Ursprung in Morettis realem biografischen Umfeld findet. Ihre Stärke beruht im trockenen Humor mit der die Geschichten erzählt werden.
Das Italian Film Festival widmet Nanni Moretti eine Retrospektive, die dessen Schaffen seit den 1980er Jahren präsentieren soll. Moretti wird als Gast nach Berlin kommen und diese Werkschau, die mit dem Festival beginnt, aber bis zum 2. Januar nicht nur in der Kulturbrauerei, sondern auch in verschiedenen anderen Kinos in Berlin weitergeführt werden wird. Kurator Christos Acrivulis, der sich als Inhaber des Klick-Kinos in Charlottenburg und der Verleihfirma MissingFILMs bereits seit Jahren für eine wachsende Wahrnehmung des, nicht nur, italienischen Kinos in Deutschland einsetzt, hat sieben Filme ausgewählt, die zwischen 1989 und 2015 entstanden sind.
Doch neben Nanni Moretti, und gerade in den letzten etwa 15 Jahren, hat sich eine neue Generation von Filmemachern hervorgetan, die versucht, neben den plakativen (Sommer- oder Weihnachts-)Komödien, die weit weniger gute Exporterfolge feiern als ihre französischen Kollegen, gesellschaftliche Themen mit künstlerisch anspruchsvolle Form zu behandeln. Sie kehren eindeutig zurück auf die internationalen Festivals, gewinnen dort Preise (wie jüngst FAVOLACCE der Brüder D’Innocenzo) und tragen mit reifen Beiträgen zur Herausbildung eines modernen Außen- und Selbstbild Italiens bei.
In die konventionelle Kinoauswertung kommen sie weiterhin nur selten. Und deswegen leistet das IFFB einen wertvollen Beitrag. Organisiert vom Tuscia Film Festival, das in Italien selbst stattfindet, bringt es außerhalb der Retrospektive, insgesamt acht Spiel- und Dokumentarfilme nach Berlin. Darunter sind verschiedene Genres vertreten wie das Drama EVERYTHING’S GONNA BE ALRIGHT (COSA SARA’) von Francesco Bruni, in dem es um einen Familienvater in der Lebenskrise geht, der zusätzlich zur obligaten Unzufriedenheit der Mittefünzigjährigen, eine Leukämiediagnose erhält. Oder auch THE INNER CAGE (ARIAFERMA) von Leonardo di Costanzo, der aus dem inneren eines Gefängnisses erzählt und davon wie sich darin ein Mikrokosmos der gesamten Gesellschaft beobachten lässt. Der Film hat nach seiner Premiere in Venedig 2020 bereits einige Aufmerksamkeit erhalten, was vermutlich auch an der Besetzung einer der Hauptrollen mit Toni Servillo (beispielsweise LA GRANDE BELLEZZA von Paolo Sorrentino) liegt.
Was beim Blick ins Programm des IFFB auffällt, ist, eine klare Dominanz oder Konzentration auf männliche Regisseure. Sowohl hinter als auch vor der Kamera sind eine Mehrheit von Männern vertreten. Dieses Jahr interessiert sich das Festival für emblematische Figuren wie in den beiden Filmbiografien THE KING OF LAUGHTER (QUI RIDO IO) von Mario Martone, in dem es um den exaltierten Schauspieler und Dramatiker Eduardo Scarpetta (1853-1925) oder BAD POET (IL POETA CATTIVO) von Gianluca Jodice, in dem es um den Dichter Gabriele D’Annunzio während des Zweiten Weltkriegs geht oder rastlosen, kämpferischen Männern, die ihren Platz in der Gesellschaft verteidigen wie es die Freunde im auf Sardinien gedrehten Neo-Western THE GIANTS (I GIGANTI) von Bonifacio Angius oder Franco Grillini als Aktivist für die Rechte von Homosexuellen tun. Er ist der Protagonist im Dokumentarfilm von Filippo Vendemmiati LET’S KISS und wird wie zahlreiche andere Filmemacher selbst in Berlin zu Gast sein.
Teresa Vena
Das gesamte Programm des IFFB mit den genauen Vorführdaten findet ihr hier.