Around the World in 14 Films: Gedanken zum „Festival der Festivals“


© Around the World in 14 Films

Filmfestivals im Jahresrückblick

Die großen internationalen Filmfestivals agieren häufig als hermetische Räume. Entweder sind die Vorführungen und Premieren einem akkreditierten Fachpublikum vorbehalten, oder die Filme erhalten hierzulande keine Veröffentlichung – dies ist insbesondere dann geläufig, wenn es sich dabei nicht um englischsprachige Beiträge handelt.

Seit 2006 verfolgt Around the World in 14 Films das Ziel, dem Berliner Kinopublikum die (bisher) noch unveröffentlichten Highlights des Festivaljahres zugänglich zu machen. Das selbsternannte „Festival der Festivals“ lud vom 2. bis 11. Dezember 2021 wieder mit zahlreichen Deutschlandpremieren zu einer cineastischen Weltreise ein. Wie der Festivalname bereits verrät, wurden dort 14 Filme aus verschiedenen Ländern der Welt präsentiert, die unter anderem in Cannes, San Sebastian, Sundance und Venedig ihre Uraufführung feierten. Des Weiteren gab es ein Rahmenprogramm mit Hommagen an prominente Filmemacher*innen, ein Spotlight auf den World Cinema Fund der Berlinale und weitere Favoriten aus der Filmwelt zu sehen.

Da die 15. Festivalausgabe im Dezember 2020 durch Kinoschließungen aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen musste, konnte die 16. Ausgabe mit zahlreichen lang erwarteten Titeln auftrumpfen. Dabei hatte diese vor allem mit Blick auf das überragende Programm der Filmfestspiele von Cannes im Juli 2021 leichtes Spiel. So wurde der Großteil des Programms von 14 Films in diesem Sommer bereits an der französischen Riviera gezeigt.

Die Filmauswahl liest sich wie eine Bestenliste im Jahresrückblick: RED ROCKET des amerikanischen Indie-Sternchens Sean Baker über einen ehemaligen Pornodarsteller, AHED’S KNEE des Berlinale-Gewinners Nadav Lapid, COW der britischen Sozialrealistin Andrea Arnold, die darin das Leben einer Milchkuh darstellt, MEMORIA des Arthouse-Lieblings Apichatpong Weerasethakul, A HERO von Asghar Farhadi und PARALLELE MÜTTER von Pedro Almodóvar. VORTEX überraschte unter der Regie des sonst so provokanten französischen Enfant terrible Gaspar Noé als zurückhaltendes Porträt über das Altern, während Pablo Larraín mit SPENCER ein eigenwilliges Biopic über Prinzessin Diana konstruierte und ONE SECOND von Zhang Yimou endlich (in einer um eine Minute gekürzten Fassung) das Licht der Leinwand erblicken konnte, nachdem der chinesische Wettbewerbs-Beitrag bei der 69. Berlinale wegen angeblicher „technischer Schwierigkeiten“ damals kurzfristig aus dem Programm genommen worden war.

So bekam das Publikum nun die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche dieser Werke einen Kinobesuch wert sind und welche nicht. Insbesondere MEMORIA von Weerasethakul, der mit dem Jurypreis in Cannes ausgezeichnet worden war, konnte dabei nicht sonderlich überzeugen. Die in Kolumbien gedrehte Kollaboration des thailändischen Regisseurs mit der Schauspielerin Tilda Swinton funktionierte zwar im ersten Teil als traumwandlerisches Travelogue. Darin begibt sich die bekannte Darstellerin auf die Suche nach dem Ursprung eines dumpfen Knallgeräusches. Doch die metaphysischen Erklärversuche in der zweiten Hälfte rauben der faszinierenden Prämisse ihr mysteriöses Potenzial. Auf der anderen Seite gab es jedoch auch großartige Filme zu entdecken, denen eine Veröffentlichung in Deutschland bedauerlicherweise vorenthalten bleibt. An dieser Stelle sei THE SOUVENIR: PART II der britische Filmemacherin Joanna Hogg erwähnt. In der Fortsetzung zu ihrem hervorragenden Drama, welches 2019 bei der Berlinale gezeigt wurde und in Deutschland weder im Kino, noch auf den Streamingplattformen zu finden ist, spinnt sie ihre autofiktive Erzählung fort und fügt der Geschichte weitere Bedeutungsebenen hinzu.

Während das 14 Films-Festival in den vergangenen Jahren ausschließlich in dem von CineStar betriebenen Kino in der Kulturbrauerei stattfand, wurden die Spielorte dieses Jahr durch den schönen Kinosaal im Neuen Off und das delphi LUX der Yorck-Gruppe erweitert. Somit gab es auch gute Alternativen für cinephile Besucher, die großen Multiplex-Kinos mit Nachogeruch und Einweg-Pappbecher-Charme nur wenig abgewinnen können. Es bleibt zu hoffen, dass diese Zusammenarbeit auch bei weiteren Festivalausgaben fortgesetzt wird.

Henning Koch