Jewcy Movies: Jüdisches auf der Leinwand


WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN

Mit dem Jüdischen Filmfestival auf der Spur jüdischer Realitäten

Es ist die 28. Ausgabe des Jüdischen Filmfestivals, die vom 14. bis 19. Juni in Berlin und Potsdam stattfindet. Neben Dokumentar- und Spielfilmen sind auch zwei Serien im Programm enthalten. Als Ergänzung der beiden Wettbewerbe fasst das Festival eine Auswahl unterschiedlicher Werke verschiedener Genres und Filmlängen in der Sektion „Kino Fermished“ zusammen und widmet der Autorin und Regisseurin Jeanine Meerapfel eine Hommage.

Insgesamt stehen 43 Filme auf dem Programm, die vom Jüdischsein in verschiedenen Lebenssituationen und geografischen Lagen erzählen. Manchmal mit Humor, manchmal mit der Tragik, die die ernsten Stoffe verlangen. In einigen Fällen mischt sich auch Komik und Tragik, denn manche Dinge lassen sich nur so bewältigen. Ein Beispiel dafür ist DER PASSFÄLSCHER von Maggie Peren, der während des Zweiten Weltkriegs spielt und vom Schicksal eines jungen Juden erzählt, der sich als Passfälscher einen Lebensunterhalt zu sichern versucht. Eine der bekanntesten Tragikomödien der Filmgeschichte zeigt das Festival zudem mit TO BE OR NOT TO BE von Ernst Lubitsch. Es ist eine herausragende Gelegenheit, diesen Klassiker (erneut) auf der großen Leinwand zu schauen.

Teresa Vena

Das Jüdische Filmfestival findet vom 14. bis 19. Juni in zahlreichen Berliner Kinos und Institutionen wie das Delphi Lux, Passage-Kino, dem Jüdischen Museum oder der Neuen Synagoge sowie im Filmmuseum Potsdam statt.

Das sind unsere Empfehlungen aus dem Gesamtprogramm, das hier nachgeschaut werden kann.

WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN

Darum geht es:
Um sich vor der gefährlichen Außenwelt zu beschützen, hat eine Gruppe Menschen eine Gemeinschaft in einem umzäunten, abgelegenen Wohnhaus gründet. Einziehen darf nur, wer vom Vorstand als würdig erachtet wird. Anna und ihre Tochter sind auch Bewohner des Hauses. Anna ist die Sicherheitsbeauftragte. Sie genießt das Vertrauen der Gemeinschaft, solange ein paar merkwürdige Sachen geschehen, die für Aufruhr sorgen. Erst verschwindet Hund Willie, dann gibt es einen Einbruchsversuch… Die Paranoia wächst und die Stimmung im Haus wird immer feindseliger.

Was du zum Film wissen musst:
Diese Tragikomödie über Paranoia und Verschwörungstheorien ist das Regiedebüt von Natalia Sinelnikova, die Regie an der Konrad Wolf Universität in Babelsberg studiert. Mit Jörg Schüttauf, Siir Eloglu und Susanne Wuest sind einige bekannte Namen des deutschen Autorenkinos im Schauspielerensemble vertreten. Die Hauptrolle übernimmt Ioana Jacob, die in verschiedenen Filmen von Radu Jude mitgespielt hat. Der Film feierte dieses Jahr an der Berlinale in der Sektion Perspektive Deutsches Kino seine Premiere. Zeitgleich mit der Vorstellung beim Jüdischen Filmfestival wird der Film auch beim Tribeca Filmfestival in New York zu sehen sein.

ROSE von Aurélie Saada © Silex Films – Germaine Films 2021

ROSE

Darum geht es:
Als Roses Ehemann stirbt, fällt die 78 Jahre alte Frau in eine Depression. Ihre erwachsenen Kinder machen sich Sorgen, wollen sich um sie kümmern, doch eigentlich haben sie mit sich selbst genug zu tun. Als Rose schließlich selbst aus ihrem Tief kommt, neue Lebensfreude findet und sich verliebt, stösst sie ihre Kinder vor den Kopf. Wie kann es sein, dass sie einen gelasseneren Umgang mit Liebe und Leidenschaft findet, als sie selbst?

Was du zum Film wissen musst:
Diese französische Komödie ist das liebevolles Porträt einer nicht unbedingt außergewöhnlichen Frau, aber eine Hymne ans Leben. Regisseurin Aurélie Saada spart nicht mit kitschigen Momenten, aber beweist Sinn für Humor und vor allem einen überdurchschnittlich guten Musikgeschmack.

DER PASSFÄLSCHER

Darum geht es:
Berlin 1942, Cioma Schönhaus ist Jude. Genauso wie sein Freund, der sich als Schneider versucht, einen Lebensunterhalt zu sichern. Was aber illegal ist, denn wenn man nicht etwa wie Cioma in der Waffenherstellung tätig ist, darf man als Jude nicht existieren – man wird ins KZ deportiert. Mit ein wenig Geschick, einer Portion Selbstvertrauen halten sich die beiden jungen Erwachsenen über Wasser. Ciomas Talent fürs Zeichnen kommt ihm zu Gute und er beginnt Pässe zu fälschen. Das Ziel ist es, irgendwann auf Blanko-Ausweise zu stossen, die er und sein Freund für sich nutzen werden können.

Was du zum Film wissen musst:
Die Inszenierung des Historiendramas wirkt gemessen an der Schwere des Stoffes geradezu leichtfüßig. Die fröhliche Musik irritiert dabei besonders, da sie dem Ganzen einen märchenhaften Charakter gibt, der der Geschichte nicht gerecht wird. Da hätte man sich entscheiden müssen, ob man ein Drama, eine Tragikomödie oder Satire machen wollte. In der Hauptrolle ist Louis Hoffmann zu sehen, er den verschmitzten Jungen spielt. Maggie Peren, Autorin von Liebeskomödien, versucht, was man sich sonst nicht wagt, das Leben eines Juden im Auge des Sturm darzustellen und es dabei als ein fröhliches, fast schon glückliches zu zeigen.

BABI YAR. CONTEXT

BABI YAR. CONTEXT

Darum geht es:
1941 sind deutsche Truppe in die Ukraine einmarschiert, haben Zerstörung hinterlassen und zur Ermordung von über 33’000 Juden beigetragen. Der Film sammelt Archivmaterial aus diesen Jahren, das ohne Kommentar aneinander montiert ist. Zu sehen sind Bilder von zerstörten Häusern, malträtierten Landschaftsstücken und gebeutelten Menschen. Immer wieder Soldaten dazwischen in ihren Uniformen und am Ende Ausschnitte aus verschiedenen Prozessen, in denen die Gräueltaten des Krieges nochmals in Worte gefasst werden von Zeugen und Täter gleichermaßen.

Was du zum Film wissen musst:
Auf die neue Aktualität, die Sergei Loznitsas Dokumentarfilme mit dem Krieg in der Ukraine bekommen haben, hätte man gerne verzichtet. Der ukrainische Regisseur mit Sicherheit selbst auch. Loznita hat jüngst für Schlagzeilen gesorgt, als er von der Ukrainischen Filmakademie ausgeschlossen wurde und selbstständig aus der Europäischen Filmakademie ausgetreten ist.

TO BE OR NOT TO BE

Darum geht es:
Eine Theatertruppe in Warschau bereit ein satirisches Stück über Hitler vor. Es ist 1939 und bevor sie Premiere feiern können, holen sie die Ereignisse ein. Das Stück müssen sie absetzen, stattdessen spielen sie „Hamlet“ in der Hauptrolle Joseph Tura. Seine Frau Maria hat einen Verehrer, einen Kampfpiloten, der durch Zufall von der drohenden Entlarvung eines Oppositionellenrings erfährt. Um die Katastrophe zu verhindern, muss die Theatergruppe aktiv werden und wahrlich ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen.

Was du zum Film wissen musst:
Gedreht hat Ernst Lubitsch den Film 1942, nach seiner Flucht aus Deutschland in die USA. Gleich nach Veröffentlichung wurde die Tragikomödie gespalten aufgenommen. Man empfand den Umgang mit einem derart ernsten und realen Stoff als geschmacklos. Doch was bleibt einem anderes als Sarkasmus. Die weibliche Hauptrolle spielt Carole Lombard, ein Star der US-Screwball-Komödien der 1920er und 1930er Jahren. Sie ist mit nur 33 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Es lohnt sich, immer wieder diesen Filmklassiker auf der großen Leinwand zu sehen.