Die besten Kurzfilme bei der Kurz.Film.Tour 2024
Es braucht immer wieder Anlässe, damit der Kurzfilm zu seiner Bühne kommt. Viel zu oft versteckt in den Mediatheken, so richtig gefeiert nur mit ARTE Kurzschluss und MDR unicato, läuft die kurze Form nämlich sonst oft Gefahr, nur das Festivalpublikum zu erreichen. Gott sei Dank gibts die Kurz.Film.Tour, die bereits seit 1998 durch die Bundesrepublik reist und die auch 2024 in acht deutschen Städten Halt macht, darunter am 28. Mai in Berlin, in der Urania um 19.30 Uhr – sowie zum Abschluss des Jahres / der Tour am 19. Dezember in der Sächsischen Landesvertretung. Zu sehen gibt es die Gewinner*innen sowie Nominierten des Deutschen Kurzfilmpreises 2023, die auch jenseits des Kurzfilmpreises bei vielen Festivals Preise einsammeln konnten. Drei Programme wurden für die am Freitag, den 24.5., in Dresden gestartete Tour zusammen gestellt: Ein Best-Of, ein barrierefreies Best-Of sowie ein dokumentarisches Best-Of. Thematisch und stilistisch ist das Programm dabei breit gefächert – es werden sowohl aktuelle sowie aktuell gebliebene Fluchtgeschichten experimentiell oder via Animation erzählt (XANH oder INTO THE VIOLET BELLY), queere Coming-Of-Age-Geschichten in verschiedenen regionalen/kulturellen/migrantischen Kontexten inszeniert (ALEX IN DEN FELDERN oder I WAS NEVER REALLY HERE) und vieles andere mehr.
Hier sind zwei heiße Empfehlungen aus allen Filmen, die im Rahmen der Tournee gezeigt werden – beide sind auch morgen in Berlin zu sehen.
SENSITIVE CONTENT
Darum geht es:
Die iranische „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung. Kalhor nutzt dabei die Sensitive-Content-Einstellungen von Instagram (die durch ein durchgestrichenes Auge dargestellt werden) als visuellen Anker, um eben die Kameralinse unzensiert auf die virtuellen Beweise zu richten, die sich im Social-Media-Zeitalter im Netz gegen das Regime angesammelt haben. Du magst deine ausführenden, oft gesichtslosen Folterer haben, aber wir sehen dich, Staat. Wir sehen dich ganz genau.
SENSITIVE CONTENT hat Marie Ketzscher bereits beim Filmfest Dresden gesehen. Hier ihr Bericht.
Was du zum Film wissen musst:
Narges Kalhors Film wurde mehrfach bei verschiedenen Festivals ausgezeichnet. Ihr Langfilm SHAHID, in dem sie reflektiert, was für Spuren, Assoziationen und Traumata der gleichlautende Mittelname in ihr hinterließen, hat bei der Berlinale den Caligari-Filmpreis gewonnen und kommt am 1. August bundesweit in die Kinos.
THE WAITING
Darum geht es:
Volker Schlechts THE WAITING erzählt vom Aussterben einer Froschart, aber auch vom Artensterben überhaupt. Er tut das nüchtern und ganz faktenorientiert, indem er den Film durch die enthusiastische Erzählerstimme einer Forscherin tragen lässt, die von ihrem Feldforschung berichtet. In Kombination mit dem grafisch-wissenschaftlichen Animationsstil entsteht so eine schöne Hommage an ein wenig beachtetes Tier, das in diesem konkreten Fall an einem Globalisierungspilz stirbt, welcher die Amphibien qualvoll ersticken lässt.
Für Shortfilm.de hat BFF-Chefredakteurin Marie Ketzscher ein Porträt über Volker Schlecht verfasst. Über NY-Times-Op-Docs ist THE WAITING bereits heute online zu schauen.
Was du zum Film wissen musst:
Die Parallelen zwischen Tier und Mensch – in der Produktionszeit brach COVID aus – werden in THE WAITING schön subtil angedeutet. Einen Ausweg will und kann THE WAITING nicht benennen: Denn die Menschen verbreiten den Frosch-Pilz ständig beim Umherreisen, ob absichtlich oder nicht. Und ein ewiger Lockdown ist eben weder für Tier noch Mensch denk- oder machbar; die Globalisierung nicht umkehrbar. Es ist eine ungeheure Stärke des Films, dass er trotz dieser Ausweglosigkeit nicht mit den einfachen Formeln zum Handeln aufruft, sondern in dieser Erkenntnis und der sehnenden Ehrfurcht nach einem „Urzustand“ erst einmal sinnend verharrt.