Die Dokumentale 2025: Ein Programm in vielfältigen Formen

Das Dokumentarische hilft gegen das Vergessen, unterstützt Reflektion, ermöglicht Gedenken, Wissensvermittlung und vieles mehr. Und nicht nur das: Das Dokumentarische kann so erhellend wie unterhaltsam sein. Das zeigt die Dokumentale auch in diesem Jahr.
Erst zum zweiten Mal findet in diesem Jahr Berlins Dokumentarfilmfestival „Dokumentale – International Documentary and Media Festival Berlin” statt. Das Programm erstreckt sich vom 12. bis 22. Juni 2025 über zehn Tage.
Nach dem gelungenen Einstand 2024 erwartet die Besucher*innen des Festivals wieder ein spannendes Programm aus vornehmlich zeitgenössischen Dokumentarformen aus aller Welt. Es ist also kein reines Dokumentarfilmfestival, sondern bietet dokumentarischen Formaten jeder Art eine Plattform, seien es neue Medien oder Sachbücher. So ermöglicht es eine interdisziplinäre Plattform für den Austausch zwischen Filmemacher*innen, Journalist*innen, Autor*innen, Künstler*innen und natürlich den Besucher*innen. Das Festival besetzt damit eine wichtige Lücke in der Berliner Festivallandschaft und kann mit Europa- und Deutschlandpremieren auch überregional einen hohen Stellenwert aufweisen.
Insgesamt werden über 40 Filme gezeigt, davon zehn im Wettbewerb. Unter den Filmen befinden sich über 20 Deutschland-Premieren und mit dem Wettbewerbsfilm THE AGE OF WATER (Mexiko, USA 2024) von Alfredo und Isabel Alcántara auch eine Europa-Premiere. Daneben findet das ergänzende Fachprogramm D’Hub statt, ein Branchenevent mit Panels, Workshops und Netzwerkveranstaltungen. Besonders hervorzuheben ist hier der „The Good Media Pitch”, Deutschlands erstes Film- und Impact-Programm, das ausgewählte Projekte mit Expert*innen aus der Zivilgesellschaft für potenzielle Partnerschaften zusammenbringt. Zudem werden neun Sach- und dokumentarisch inspirierte Bücher präsentiert bzw. daraus gelesen. Eines von ihnen ist „Der Deutsche Film: Aus den Archiven der Deutschen Kinemathek“ von Rainer Rother, der in diesem Jahr für sein jahrelanges Engagement für seine Arbeit als Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek und Leiter der Berlinale-Retrospektive den Ehrenbären erhalten hat. Zudem werden zehn Podcasts live aufgezeichnet, in denen Filmgäst*innen zu relevanten Themen sprechen.
Daneben werden während des Festivals sieben VX-Arbeiten präsentiert. Außerdem werden drei Fotografie- und Videokunst-Showcases gezeigt, darunter auch Donata Wenders‘ „Ode an das Handwerk“.
Auch für die Jüngeren gibt es ein Programm. Das flankierende Kinderprogramm wartet mit Lesungen, Bilderbuchkino und Filmen auf.
Besonders freuen darf man sich auch auf die Performance, die das Festival am 11. Juni eröffnet und dann noch am 12., 13. und 14. Juni stattfindet: Die Berlin Ballett Company präsentiert die immersive, dokumentarische Ballettperformance GLANZ UND WIDERSTAND als Hommage an Marlene Dietrich in Koproduktion mit der Dokumentale.
Wie im vergangenen Jahr verteilt sich das Festival über Berlin, das Zentrum befindet sich in den Atelier Gardens. Daneben gibt es so illustre Spielorte wie das Zeiss-Großplanetarium, das Freiluftkino Rosengarten und das b-ware! Ladenkino. Auch die sieben D’Lounges, bei denen Filme mit flankierendem Special-Programm an besonderen Orten gezeigt werden, gibt es wieder. In diesem Jahr finden sie im Tresor, im The Yaam, im Kunsthaus Dahlem, im Dragonerareal, im Nomadenkino, im Kater Blau sowie in der Skatehalle statt.
Wer nicht immer vor Ort sein kann, hat die Möglichkeit, die Dokumentarfilme online zu sehen. Mit dem „Select 5+5“ kann man nicht nur fünf Filme im Kino sehen, sondern auch fünf weitere Filme bis zum 31. Juni streamen.
Mehr Infos zur Dokumentale gibt es hier.
Michaela Grouls
In der Folge finden sich weitere Empfehlungen aus dem Programm.
BLUE ROAD – THE EDNA O’BRIEN STORY

Darum geht es:
BLUE ROAD dokumentiert das Leben der irischen Schriftstellerin Edna O’Brien, die 2024 im Alter von 93 Jahren verstorben ist. Dabei bleibt der Film eng an ihrem Werk, was sehr erfreulich ist, da es die Bedeutung ihres feministisch-literarischen Schaffens nur umso mehr verdeutlicht. Das filmische Porträt wird mit vielen zeitgenössischen Aufnahmen sowie Interviews mit Autor*innen, Menschen aus Ednas Umfeld und der Autorin selbst erzählt.
Was du zum Film wissen musst:
BLUE ROAD stammt aus dem Jahr 2024 und ist ein Werk der irischen Dokumentarfilmerin Sinéad O’Shea, die sich in ihren Filmen bislang ausschließlich mit irischen Themen befasst hat. Es handelt sich um die Deutschlandpremiere des Films. – MG
Termine bei der 2. Dokumentale:
Dienstag, 17. Juni 2025, 19:00 Uhr, Tresor Globus
Mittwoch, 18. Juni 2025, 20:30 Uhr, Kant Kino
CHANGING SIDES (IM OSTEN WAS NEUES)

Darum geht es:
Thomas ‚Eichi‘ Eichstädt ist Fußballtrainer in Torgelow, einer kleinen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Doch er trainiert keine gewöhnliche Mannschaft. Der Großteil seiner Spieler sind Geflüchtete. Sein früheres Ich hätte das nicht gerade gutgeheißen, denn noch vor 20 Jahren war Eichi in der rechtsradikalen Szene aktiv. Ihm ist wichtig, dass seine Spieler das wissen. Der Film begleitet nicht nur Eichi, sondern auch seine Spieler Asad, der gerade 18 wird und die Schule beendet, und Thomas, der unbedingt arbeiten möchte, um weiterhin mit seiner Familie in Torgelow leben zu können, dem aber täglich die Abschiebung droht.
Was du zu dem Film wissen musst:
Das Leben in Torgelow ist nicht leicht. Thomas kämpft darum bleiben zu dürfen und sich hier ein Leben aufbauen zu können. Er und seine Frau stehen unter Dauerstress. Asad sucht seinen Platz in der Gesellschaft. Während die anderen gelassen feiern, ist er ständig am Grübeln. Und auch Eichi hat es nicht leicht. Er ist arbeitslos, der Trainerjob läuft ehrenamtlich, das reicht dem Jobcenter nicht. Muss er jetzt seine Mannschaft aufgeben?
Der Film ist ruhig und unaufgeregt und trotzdem spürt man die permanente Anspannung der Protagonisten, grade in den leisen Momenten. Es ist sehr bewegend, mit wie viel Herzblut sich Eichi der nicht immer ganz einfachen Aufgabe stellt, die heterogene Truppe zusammenzuhalten, um sich und seinen Jungs ein paar Stunden Auszeit von den alltäglichen Ängsten und Sorgen zu gönnen. – JS
Termine bei der 2. Dokumentale:
Mittwoch, 18. Juni, 18:00 Uhr, Kant Kino, OmeU (Ausverkauft)
Donnerstag, 19. Juni, 20:00 Uhr, Skatehalle, OmeU
SILENT MEN

Darum geht es:
„The Awkward Art of Expressing Emotion“, lautet der Untertitel des Films, und dieser ist hier Programm. Denn oft können Männer in unserer Gesellschaft ihren Freund*innen, Partner*innen und Familien gegenüber keine Gefühle äußern und kapseln sich ab. So ergeht es auch dem Filmemacher Duncan Cowles. 2013 beginnt er, sich auf die Suche nach den Ursachen zu machen. Dazu befragt er seine Eltern, schaut sich Videoaufnahmen aus seiner Kindheit an, interviewt Leidensgenossen und versucht, sich seinem Umfeld gegenüber zu öffnen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Jahre vergehen und aus der Idee wird ein ganzes Filmprojekt, das tief unter die Oberfläche der „schweigenden Männer“ blickt und mit diesem Tabu brechen will.
Was du zum Film wissen musst:
Der schottische Regisseur Duncan Cowles hat in seinen dokumentarischen Kurzfilmen, die bei vielen internationalen Festivals gezeigt wurden, stets eine sehr persönliche Herangehensweise an die porträtierten Themen gewählt. So auch in seinem ersten Langfilm SILENT MEN, in dem er mit trockenem Humor und Freude an der filmischen Dokumentation dieser ernsten Belastung auf den Grund geht. Denn mehr als 70 Prozent der Suizide in Schottland werden von Männern begangen und sind damit die häufigste Todesursache unter 50. Über einen Zeitraum von rund zehn Jahren hat Cowles seine Familie, Freunde und Fremde, die er über ein Online-Inserat gefunden hat, zu dieser Problematik befragt, die auch außerhalb Schottlands weit verbreitet ist. Vor allem aber ist es ein sympathisches Zeugnis seiner eigenen Versuche geworden, der Welt seine Gefühle zu zeigen, und der Hemmungen, die ihm dabei im Weg stehen. – HK
Termine bei der 2. Dokumentale:
Samstag, 14. Juni, 13:30 Uhr, Atelier Gardens
Donnerstag, 19. Juni, 21:00 Uhr, Sputnik Kino
HOME GAME

Darum geht es:
Schon früh fängt Lidija an, ihr Leben zu dokumentieren. Sie hat eine tolle Kindheit und Jugend, arbeitet als Nachrichtensprecherin und fühlt sich pudelwohl in ihrer Heimat Sarajewo. Bis der Krieg losbricht. Lidija muss fliehen und landet in den Niederlanden, bald kommen auch ihr Bruder und ihre Eltern nach. Sie lebt sich hier gut ein, bekommt ihren Sohn Sergej, genießt den Frieden. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und die Stimmung in ihrer neuen Heimat kippt. Das kommt Lidija nur allzu bekannt vor.
Was du zu dem Film wissen musst:
Regisseurin Lidija Zelović nutzt fast ausschließlich ihre Privataufnahmen. Für ihre Familie ist die ständig mitlaufende Kamera bald so selbstverständlich, dass man als ZuschauerIn fast das Gefühl bekommt, selbst ein Teil der Familie zu sein. HOME GAME zeigt die Zerrissenheit, die eine Flucht mit sich bringt. Lidija liebt ihre neue Heimat, hat hier alles, was ihr Herz begehrt und doch fühlt es sich falsch an auf Niederländisch „Ich liebe dich“ zu sagen. Dann steigen die Ressentiments gegen Geflüchtete, was bei ihr und ihrer Familie Gefühle weckt, die sie lange vergraben haben. – JS
Termine bei der 2. Dokumentale
Donnerstag, 12. Juni, 20:30 Uhr, Atelier Gardens
Mittwoch, 18. Juni, 19:30 Uhr, City Kino Wedding