66. Berlinale: „Smrt u Sarajevu“ („Death in Sarajevo“) von Danis Tanovic – Silberner Bär


Lamija ist hin- und hergerissen zwischen dem Unrecht und Chaos im Hotel und der Angst ihren Job zu verlieren. Copyright: © Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Lamija ist hin- und hergerissen zwischen dem Unrecht und Chaos im Hotel und der Angst ihren Job zu verlieren. Copyright: © Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Tanovic inszeniert das Hotelgebäude wie das Dreistufenmodel der Freudschen Persönlichkeitstheorie. Im Keller regiert ein animalischer Geist, der sich im dubiosen Enco, seinen Handlangern und den „osteuropäischen Schönheiten“ spiegelt, und auf dem Dach sitzt die (Pseudo-)Moral in Form der Fernsehjournalistin Vedrana (Vedrana Seksan). Dazwischen wirbeln Hotelmanager Omer und seine Rezeptionistin Lamija (Snezana Markovic), Omers rechte Hand, im Stechschritt zwischen den Brandherden hin und her. Die Kamera ist ihnen dabei immer dicht auf den Fersen, folgt ihnen durch die Flure und Zimmer und lässt sich durch das Hotel wie durch die Konfliktherde nicht nur eines Landes, sondern einer ganzen Region führen.

Danis Tanovics „Smrt u Sarajevu“ ist ein an Referenzen sowie politischen und historischen Anspielungen reiches Labyrinth, das versucht die zerrissene, bosnische Seele einzufangen. Und die ist kompliziert, wie selbst der Oscarpreisträger Tanovic zugibt. Für das internationale Publikum, dem sehr wahrscheinlich durch die Fülle der Querverweise oft auch viele Hinweise und bissige Subkommentare entgehen, ist der Film herausfordernd, weil er nicht jede Information vorkaut. Aufschluss geben allerdings immer wieder kleine wortreiche Schlaglichter, die in ihrer Deutlichkeit kaum zu überhören sind. Dazu zählt auch ein im Film erzählter Witz von einem Wurmsohn, der seinen Vater ungläubig fragt, ob es auch Würmer gibt, die in Äpfeln wohnen, was der Vater bejaht. Daraufhin will der Kleine wissen, ob es denn auch welche gäbe, die im Fleisch hausten. Als auch das der Vater bejaht, will er schließlich wissen, warum sie beide dann aber in der Scheiße leben würden, woraufhin der Vater ihm erklärt, dass das nun mal ihre Heimat sei. Bitter.

Auf die Frage, ob Danis Tanovic eher ein Pessimist oder ein Optimist sei, anwortete der Filmemacher in der Pressekonferenz nur mit einem Zitat aus seinem Debütfilm „No Man’s Land“: „Was ist der Unterschied zwischen einem Pessimisten und einem Optimisten? Der Pessimist sagt: Schlechter kann es nicht werden. Der Optimist dagegen weiß, es kann.“

Am Ende überließ selbst die Berlinale nichts dem Zufall. Zeitgleich zur Weltpremiere reichte Bosnien-Herzegowina seinen Antrag auf EU-Beitritt ein. Tanovic kommentierte das Ereignis als einen ersten Blick in Richtung Zukunft, der vielleicht ermöglicht nicht immer nur zurückzublicken, sondern endlich einmal vorwärts.

Auf der 66. Berlinale gewann „Smrt u Sarajevu“ sowohl den Silbernen Bären als auch den Großen Preis der Jury und den FIPRESCI-Preis.

SuT

„Death in Sarajevo“ (OT: „Smrt u Sarajevu”), Regie: Danis Tanovic, DarstellerInnen: Snezana Markovic, Izudin Bajrovic, Vedrana Seksan, Muhamed Hadzovic, Faketa Salihbegovic, Jacques Weber, Aleksandar Seksan

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