„Ri Chang Dui Hua“ („Small Talk“) von Hui-chen Huang



Hui-chen lässt mehrere ehemalige Geliebte ihrer Mutter zu Wort kommen. Sie treten selbstbewusst und humorvoll auf, beschreiben Anu als Draufgängerin, liebevolle Liebhaberin und hartnäckig-selbstbewusste Frau. Sie sprechen ihr mehrere „männliche“ Charaktereigenschaften zu, indem sie beispielsweise auf ihre zahlreichen Affären hinweisen. Als Hui-chen ihre Mutter fragt, wie viele Frauen sie hatte, antwortet diese mit einem verschmitzten Lächeln: „Zu viele um sie zu zählen.“ Abgesehen von diesen wenigen unbeschwerten Szenen, haftet dem Film eine bedrückende Stimmung an. Die Gespräche, oder besser Nicht-Gespräche, zwischen Mutter und Tochter bestehen aus wenigen wortkargen Antworten seitens Anu. Sie trägt offensichtlich Trauer ob der familiären und gesellschaftlichen Ablehnung in sich.

Homosexuelle sowie auch andere sexuelle Minderheiten gelten in Taiwan als Störung der gesellschaftlichen Norm. Erst in den letzten Jahren fanden politische Vorstösse in Richtung einer größeren Akzeptanz statt, zurzeit wird über einen Gesetzesentwurf, der die gleichgeschlechtliche Ehe legalisieren soll, verhandelt. Anu steht in „Small Talk“ stellvertretend für all die Personen, die wegen ihres Andersseins marginalisiert werden. Gerade weibliche Homosexuelle berichten vielfach, unabhängig von ihrem Ursprungsland, dass ihr größter Schmerz darin besteht, dass sie von der Gesellschaft verleugnet werden und ihr offizielles Nichtexistieren jede Individualität unmöglich macht.

Teresa Vena

Ri Chang Dui Hua“ („Small Talk„), Regie: Hui-chen Huang

Small Talk“ wurde bei der 67. Berlinale mit dem Teddy-Award für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet.

1 2