„Die Erbinnen“ (OT: „Las herederas“) von Marcelo Martinessi



Las herederas“ ist auf verschiedenen Ebenen ein Film über Emanzipation. Zum einen schafft es Chela, sich aus einer festgefahrenen Beziehung zu lösen. Es kostet sie viel Kraft und Mut, sich einzugestehen, dass die Dynamik in der Partnerschaft nicht mehr stimmt, dass sich die Erwartungen und Wünsche der beiden nicht mehr decken.
Zum anderen erzählt der Film von einem homosexuellen Paar, das sich in seinem Umfeld eine allgemeine Akzeptanz erkämpft hat. Sie nehmen sich das Recht auf die Selbstbestimmung ihrer eigenen Sexualität. Nun bewegen sie sich in einem eindeutig privilegierten Umfeld, einer bürgerlichen Gesellschaftsschicht, die es auch Außenseitern ermöglicht, sich mit genügend Geldaufkommen Privatsphäre zu erkaufen. Homosexuelle haben in Paraguay und an sich in Südamerika, einer Gesellschaft, die von machistischen Werten geprägt ist, einen schweren Stand in Bezug auf Akzeptanz und rechtliche Gleichstellung.

Regisseur Martinessi gelingt es, ein subtiles Porträt mehrerer unterschiedlicher Frauen zu zeichnen. Weniger als um Homosexualität an sich, geht es um die Liebe, die in ihrer universellen Bedeutung das menschliche Miteinander bestimmt. Die große Stärke des Films liegt in der Natürlichkeit, mit der von der Beziehung zwischen Chela und Chiquita berichtet wird. Charismatisch und selbstbewusst, aber zugleich auch verletzlich treten die beiden Darstellerinnen auf. Gerade Ana Brun, die die Rolle der Chela spielt, hinterlässt einen besonderen Eindruck: „Im Wesentlichen erzählt der Film meine eigene persönliche Geschichte“, gibt sie während der Pressekonferenz bei der Berlinale zu und ist sichtlich emotional gerührt.

Die gesamte Besetzung hat der Regisseur sorgfältig zusammengestellt. Er vereint eine überzeugende Frauenriege bis in die Nebenrollen, die mit einer starken Präsenz aufwartet. Es existieren insgesamt drei winzige Männerrollen, die insgesamt eine Sendezeit von dreißig Sekunden aufweisen. Diese außergewöhnliche Inszenierung fällt erst zum Schluss des Films auf, als man ihn nochmals Revue passieren lässt. Damit erweist Martinessi der Sache der Frau und ihrer Präsenz im Film einen bedeutenden Dienst. Implizit erzählt „Las herederas“ auch von einer unterschwelligen gewalttätigen Realität Paraguays, die sich unter anderem gegen die Frauen richtet. Sie drückt sich unter anderem darin aus, dass ihre Bedürfnisse verschwiegen werden. Sie werden mit der Gewalt des Schweigens konfrontiert. Der Film leistet in diesem Sinne seinen eigenen Beitrag dagegen.

Teresa Vena

Die Erbinnen“ („Las herederas„), Regie: Marcello Martinessi, Darstellerinnnen: Ana Brun, Margarita Irun, Ana Ivanova, Nilda Gonzalez, María Martins, Alicia Guerra, Yverá Zayas, Kinostart: 29. November 2018

Die Erbinnen“ gewann bei der 68. Berlinale den Alfred Bauer Preis, also den Silbernen Bären für ein Werk, das neue Perspektiven eröffnet.

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