ROTER HIMMEL von Christian Petzold


ROTER HIMMEL © Christian Schulz : Schramm Film
ROTER HIMMEL © Christian Schulz : Schramm Film

Das Leiden des Künstlers an sich selbst

Irgendwie bedrohlich wirkt der Wald, durch den Felix und Leon fahren, ehe sie eine Panne zum Fußmarsch zwingt. Es raschelt hier, während dort die Blätter flüstern, genießen können die beiden Freunde das nicht, das Reisegepäck nervt und gleichzeitig kündigt die Dunkelheit das Ende des Tages an. Immerhin erinnert sich Felix, dessen Familie das Ferienhaus, in dem die beiden arbeiten wollen, an eine Abkürzung. Er lässt Leon mit dem Versprechen zurück, schnell zurück zu sein, noch ehe der widersprechen kann.

Kommt einem bekannt vor, Horrorfilme beginnen so – aber ein Film von Petzold nur deshalb, weil der Regisseur sich als großer Cineast mit solch einer Schablone den Spaß einer falschen Fährte gönnt.

Denn in ROTER HIMMEL kehrt Felix natürlich zurück und bringt den Freund, den zwischenzeitlich niemand zerhackt hat, sicher in das Haus, in dem die beiden ihre Ferien verbringen wollen… das sie aber nicht alleine bewohnen: Felix‘ Mutter hat ein Zimmer Nadja überlassen, die die Saison nutzt, um an der Küste als Eisverkäuferin zu jobben – und das Leben und die Leichtigkeit, die der Sommer verspricht, zu genießen. Der gutaussehende Rettungsschwimmer Devid verbringt die eine und die andere Nacht mit ihr.

Die Planänderung erzeugt mehr Stress bei Leon als der unweit brennende Wald, der zwar den Abendhimmel rot färbt und von donnernden Helikoptern bekämpft werden muss, aber doch weit weg scheint.
Der junge Schriftsteller will in Ruhe Inspiration für „Club Sandwich“, seinen zweiten Roman, finden und an ihm arbeiten, ehe er mit seinem Verleger nächste Schritte bespricht. Doch das Buch will ihm nicht von der Hand gehen, was ihn nervt – und das lässt er alle anderen spüren. Aber was passiert, wenn der Wind dreht?

Christian Petzold gelingt mit ROTER HIMMEL sein stärkstes Werk seit Jahren – und das will nach Festivalhits wie UNDINE (hier unsere Kritik), TRANSIT oder BARBARA (hier unsere Filmkritik) etwas heißen. Sein „Sommerfilm“, wie er das Genre selbst bestimmt, strotzt vor klugen Ideen, nutzt cineastische Zitate und Anspielungen auf dem Weg, der vielleicht zur großen Liebe, ganz sicher aber zum großen Drama führt.
Thomas Schubert begeistert als ein dreckarschiger und doch irgendwie liebenswerter Schriftsteller Leon ebenso wie Paula Beer, deren Aura als in sich ruhender wie erhabener Nadja keiner der Besucher des Ferienhauses und des Publikums entziehen kann. Die Jury der 73. Berlinale zeichnete Petzolds ROTER HIMMEL mit dem Großen Preis der Jury aus. Weitere Preise wären durchaus denkbar und verdient gewesen.

Denis Demmerle

ROTER HIMMEL, Regie: Christian Petzold; Darsteller_innen: Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Enno Trebs, Matthias Brandt