73. Berlinale: THE ADULTS von Dustin Guy Defa


THE ADULTS © Universal Pictures Content Group

Eric kehrt in seine Heimatstadt zurück, eher ungern und um sich nicht noch schuldiger zu fühlen. Obwohl seine beiden Schwestern auch nach dem Tod der Eltern noch dort sind, verbindet er nur Vergangenheit mit dem Ort. Klar, ein alter Freund ist Vater geworden, das Kind will er kennenlernen, aber bei ihm übernachten will er ebenso wenig wie bei bei Rachel, die das Haus der Eltern übernommen hat.
Ein Hotelzimmer mit Blick ins vertraute aber hinter ihm gelassene Nirgendwo fühlt sich passender an – und gerade gut genug, um es leicht bald wieder hinter sich zu lassen.

Die Begegnung mit Rachel bestätigt ihn in seinem wagen Gefühl hier nur noch Besucher und nicht mehr Gast zu sein. Sicher, er hat sie nach der Trennung von ihrem Partner – wie lange war das doch wieder her? – nicht wirklich unterstützt, aber was hätte er auch tun sollen?
Maggie, die Jüngste der drei, verschwendet keine Zeit mit Vorwürfen, sie will die Momente auskosten, mit den dreien in Erinnerungen schwelgen, lachen, singen und tanzen. Der Groll Rachels ist ihr fremd. Vielleicht hat die fragile Person auch nur keine Kraft dafür.

Aufgestaute, schwelende Konflikte zwischen den Geschwistern finden stumm statt – oder maximal in Form von Zitaten, die sie von Buster Keaton leihen und sich in einer Kindersprache zuraunen, die es dem anderen doch unmöglich erlauben kann, ernsthaft wütend zu sein.
Oder doch?

Eric scheint das unsichtbare (Familien-)Band zwischen ihm und seinen beiden Schwestern tief in sich zu spüren. Es hält ihn und lässt ihn der Ort seiner Jugend nicht hinter sich lassen. So verlängert er seinen Aufenthalt um Nacht für Nacht.
Vordergründig um mit alten Poker-Freunden zu zocken, doch die sind bei Lichte betrachtet nicht mehr als flüchtige Bekannte, die ihn längst vergessen hatten und bald wieder vergessen werden. So geschickt er am Tisch im Schutze des Pokerfaces agiert, desto schneller brökelt sein Selbstbild im Austausch mit den Schwestern.

Die drei suchen nach ihrem Platz im Leben. Seit die Eltern fehlen, knüpft niemand mehr das Familienband. Einfach nur Kind sein reicht nicht mehr, es gilt die Welt zu meistern. Allein und jeder für sich – oder besser doch zusammen?

Dustin Guy Defa erweist sich als Meister der leisen Zwischentöne, die sich, wenn nicht verpackt als Zitat, in kleinen und großen Gesten zeigen. Seine drei sensibel aufspielenden Protagonisten, geben ihren Mitspielenden in nuancierten Minen und Gesten zu verstehen, was unter der Oberfläche passiert. Sie geben ganz unterschiedliche Antworten darauf, ob man erwachen ist, wenn man nicht mehr Kind (von jemandem) ist. Das bewegt und rührt sein Publikum, dem Defa clever immer wieder gleichzeitig komische wie warme Momente der Zuneigung gönnt, wenn sich die drei in Ritualen ihrer Kindheit verlieren und die Welt um sie herum zur Kulisse wird.

Denis Demmerle

THE ADULTS; Regie: Dustin Guy Defa, mit Michael Cera, Hannah Gross, Sophia Lillis, Wavyy Jonez, Anoop Desai