„Bastardo“ von Néjib Belkadhi


Bastardo“ präsentiert sich in erster Linie als einprägsame Machtparabel mit einer Gültigkeit, die über Zeitzonen und Landesgrenzen hinausreicht. Geld bedeutet Macht und Macht Korrumpierung. Regisseur Néjib Belkadhi ersinnt eine pessimistische Vision, die an Georges Orwells „Animal Farm“ anklingt. Mohsen (Abdel Moneem Chouayat) übernimmt, geblendet von seiner Machtsstellung, ähnliche gebieterische Allüren wie die kürzlich Enthronisierten.

Als Schauplatz wählt Belkadhi ein tunesisches Armenviertel, dessen Bewohner er vielschichtig porträtiert. Wahre Lebenskünstler, die in allem ein gutes Geschäft wittern, leben neben ehrlichen, arbeitsamen Personen und daneben diejenigen, die sich über sie stellen und beherrschen wollen. Gemeinschaftliche Solidarität fehlt. Selbst innerhalb der eigenen Familie kommt es zu Stigmatisierung und Ausgrenzung, wie es die junge Frau (Lobna Noomene) erleben muss, die seit ihrer Kindheit Insekten körperlich anzieht.

Sie ist nur eine der zahlreichen Figuren des Films, die sich im Bewusstsein des Zuschauers unweigerlich festsetzen. Larnouba (Chedly Arfaoui), das gefürchtete Clanoberhaupt im Distrikt, wirkt wie ein überdimensioniertes, verwöhntes Kind, das eine Schwäche für Kaninchen hat und sich – genau wie sein Vater – am liebsten Tierfilme im Fernsehen ansieht. Wäre da nicht seine dominante, kaltherzige Mutter, die ihn zu ihrem von allen gefürchteten Ebenbild machen will.
Ihre tiefe Stimme und maskuline Ausstrahlung erweisen sich nicht als zufällig – die Rolle spielt ein Mann. Die virtuose Darstellung von Lassaad Ben Abdallah, in Tunesien vor allem als Theaterregisseur bekannt, hat, trotz der bösartigen Charakterzeichnung, einen leichten Ironiewert. Auf alle Fälle lässt das Bild der Matrone einen nicht mehr so schnell los.

Diese skurrilen Figuren machen die Stärke des Films aus. Keine ist einem wirklich sympathisch und jede wirkt auf ihre Art unheimlich. Durch sie entwickelt sich eine bedrohliche Grundatmosphäre, die dadurch verschärft wird, dass die Handlung fast nur nachts spielt. All das macht „Bastardo“ zu einem unsentimentalen, aber trotzdem einschneidenden Gesellschaftsdrama.

Teresa Vena

Bastardo„, Regie: Néjib Belkadhi, Darsteller: Abdel Moneem Chouayat, Chedly Arfaoui, Lobna Noomene, Taoufik El Bahri, Lassaad Ben Abdallah, Issa Harath

Termine bei Alfilm – Arabisches Filmfestival Berlin 2015:
Samstag, 11. April, 20 Uhr im Babylon-Mitte &
Mittwoch, 15. April, 20 Uhr im Babylon-Mitte

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