Berlinale-Filmkritik: „A Long and Happy Life“ von Boris Khlebnikov
Wut essen Seele auf
Verlässt du dich auf andere, dann bist du verlassen. Eine Lektion, die der smarte Jungbauer Sasha (Alexander Yatsenko) auf die unbequeme Tour lernen muss. Regisseur Boris Khlebnikov hatte schon im November letzten Jahres das Berliner Kinopublikum entzückt. Sein ironisch-humorvoller Beitrag zur Russischen Filmwoche hieß „Bis dass die Nacht uns scheidet“ und erzählte Episoden aus einem Moskauer Luxusrestaurant. Szenerie und Geschichte seines Berlinale-Films „A Long and Happy Life“ könnten da nicht gegensätzlicher sein. Anstatt in die Millionenmetropole verschlägt es den Regisseur in die Wildnis des hohen russischen Nordens, anstatt Oligarchen und ihrem verzogenen Anhang dürfen wir diesmal dem Schicksal einfacher Bauern beiwohnen. Ironisch ist bei „A Long and Happy Life“ nur der Filmtitel.
Sasha ist ein mutiger Mensch, ein Macher. Er trotzt der ewigen russischen Krise, indem er auf das Land zieht. Dort baut er mit Hilfe der Dorfbewohner einen landwirtschaftlichen Betrieb auf. Sein Traum gerät in Gefahr, als die staatlichen Behörden sein Land verkaufen wollen. Das Problem: Wie so oft im von Korruption gebeutelten Russland sind Sashas Verträge juristisch mehr als fragwürdig. Kurz: Die Beamten sitzen am längeren Hebel und die Kompensationszahlung, die sie Sasha anbieten, ist moralisch zwar mehr als angebracht, juristisch gesehen jedoch ein erniedrigender Akt der Gnade. Sasha ist nicht dumm. Er sieht ein, dass es Zeit wird, aufzugeben. Doch die aufgebrachten Dorfbewohner schaffen es, ihn zum Kampf gegen die staatliche Willkür zu bewegen.
Das Leben stellt den Menschen ständig vor Entscheidungen. Mal beweisen wir dabei ein glückliches, mal ein weniger glückliches Händchen. Auf einer Skala, die die Qualität unserer Entscheidungen bewerten, dürfte sich Sashas Lösung im Minusbereich befinden. Ab dem Moment, in dem er sich widerwillig dazu entschließt, nicht zu verkaufen, läuft alles gegen ihn. Die Polizei sucht ihn, seine Freundin verlässt ihn und die eben noch so kampfeslustigen Dorfbewohner fallen einer nach dem anderen von ihm ab. Äußerlich bleibt Sasha zwar ruhig, doch man möchte ihm beinahe einen Löffel reichen, so offensichtlich frisst er Wut und Ärger in sich hinein. Sein emotionaler Ausbruch kommt allerdings trotzdem überraschend schnell und wuchtig.
„A Long and Happy Life“ ist eine humorlose, verbissene Geschichte, die daran erinnert, dass es sich manchmal nicht lohnt, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Die wahre Botschaft des Films ist jedoch noch pessimistischer: Der Mensch sollte sich sehr gut überlegen, auf wen er sich verlässt. Dabei kommt es nicht auf schwarz oder weiß, nicht auf oben oder unten an. Sasha wird sowohl von den Staatsbeamten als auch von Dorfbewohnern im Stich gelassen. Und Ende auch von seinem Glück.
Peter Correll
Berlinale-Termine: So 10.02. 09:30, Friedrichstadt-Palast (E); So 10.02. 10:00, Haus der Berliner Festspiele (D); Do 14.02. 18:00, Cubix 8 (D); So 17.02. 22:30, International (D)