„The Kidnapping of Michel Houellebecq“ von Guillaume Nicloux



Der Film-Houellebecq bespricht mit seinem Manager innenausstatterische Details des neuen Eigenheims genau so, wie er sich mit den drei kleiderschrankartigen Ganoven auf Augenhöhe auseinandersetzt, die den etwas klapprigen Houellebecq überrumpeln und unbeholfen in einer Kiste entführen. Er erträgt – so suggeriert er – sein Leben beiläufig, aber stets rauchend und trinkend. Widerstand seinerseits käme unter keinen Umständen in Frage, er erkennt die größtmögliche körperlicher Überlegenheit seiner Gegenüber an. Ziel der Bande ist ein Trailerpark im Pariser Umland, wo die Eltern eines der Halunken abgeschieden hausen. Dort nähert er sich den gar nicht so ruchlosen Schergen neugierig an und bald entwickelt sich aus Respekt beinahe etwas wie Freundschaft. Das Stockholm-Syndrom lässt grüßen.

Selbst kleinere Zwistigkeiten tragen Täter und Opfer ohne Kollateralschaden aus. Solange sich Houellebecq mit Zigaretten und Wein versorgt sieht, scheint ihn die Situation in keiner Weise zu beunruhigen – auch wenn ihm vollkommen unklar ist, wem seine Befreiung Geld wert sein könnte und ihn die Aussicht auf ein baldiges Ableben nicht schreckt. Nur einmal kocht so etwas wie Wut in ihm hoch und es entfährt ihm: „Ich bin nicht tolerant!„, was seine Tischgenossen ihm dann auch nicht weiter unterstellen wollen.

Guillaume Nicloux gelingt mit „The Kidnapping of Michel Houellebecq“ ein echter Coup, der dank seiner Besetzung Houellebecqs durch Houellebecq eine zweite, intelligente und vielleicht sogar reale Ebene gewinnt, die mit seinem Betrachter und dessen Houellebecq-Bild spielt. Michel Houellebecq gibt – wie sollte es anders sein – einen perfekten Michel Houellebecq, aber er harmoniert eben auch – und damit war nicht unbedingt zu rechnen – prächtig mit dem Schauspielerensemble des Films. Das Spiel mit der gefakten Realität funktioniert par Excellenze, weil eine quasi authentische Anmutung gelingt. Als Ergebnis stehen höchstvergnügliche 92 Minuten, die sich nahtlos neben das literarische Schaffen des Autors einreihen.

Denis Demmerle

The Kidnapping of Michel Houellebecq„, Regie: Guillaume Nicloux, Darsteller: Michel Houellebecq, Mathieu Nicourt, Maxime Lefrançois, Françoise Lebrun

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