„Beti und Amare“ von Andy Siege


Beeindruckende Bildsprache bei kleinem Budget: "Beti und Amare" von Andy Siege. Foto: Aries Images

Beeindruckende Bildsprache bei kleinem Budget: „Beti und Amare“ von Andy Siege. Foto: Aries Images

Surreales Märchen für wehrhafte Mädchen

2014 wurden mit Ana Lily Amirpours „A Girl walks home alone at night„, Zeresenay Meharis „Das Mädchen Hirut“ und Andy Sieges „Beti und Amare“ völlig unabhänig voneinander gleich drei Filme produziert, die alle um ein gemeinsames Thema kreisen: Wie schlagen unterdrückte Frauen in einer von männlicher Willkür dominierten Welt zurück?

Weiterlesen: Unsere Kritik zu „A Girl walks home alone at night„…

In Deutschland waren 2015 zumindest die beiden erstgenannten schon in den Kinos zu sehen. Sowohl Amirpours als auch Zeresenays Film zeigen wehrhafte Frauen, die – das kann man zumindest für Amirpours Film wörtlich nehmen – ihren Oppressoren die scharfen Zähne zeigen. Während der erstgenannte dazu stilistisch eher die Genremittel des B-Movie-Vampir-Horrors in konstrastreichen, comichaften Schwarzweißaufnahmen nutzte, versuchte es der zweite mit den klassischen, tragischen Tönen des Dramas.
2016 kommt endlich Andy Sieges mit nur 14.000 Euro produzierter Low-Budget Film in die Kinos. Ein Film, der ebenfalls unterdrückten Frauen ihre Wehrhaftigkeit zurückschenkt und der v.a. stilistisch auffällt, denn der Do-It-Yourself Filmemacher aus Deutschland, der gleichzeitig für Buch, Regie, Kamera und Schnitt verantwortlich ist, bricht mit sämtlichen Sehgewohnheiten und Filmkonventionen, um die traumatische Gegenwart Betis (Hiwot Asres) mit Träumen und Alpträumen zu verschmelzen.

Sieges filmische Umsetzung erinnert dabei stark an die Musikvideoclipästhethik der 80er Jahre, die manchmal so aussah, als hätte jemand ein bisschen zu stark mit den Kontrasten und Fotowerten herumgespielt. Den benutzen nebenbei bemerkt auch heute noch einige afrikanische Musiker in ihren Clips, beispielsweise der Eriträer Alula Araya, der mit Levin Kaerchner im Übrigen die Filmmusik zu „Beti und Amare“ geschrieben hat.

Siege nutzt den Effekt sehr viel dosierter und raffinierter in seinem Debütfilm. Jüngere Generationen werden hingegen die Colour Splash Fotoapp Effekte wiedererkennen, die dafür sorgen, dass Schwarzweißaufnahmen markante Farbakzente erhalten. Der Filmemacher, der 1985 als Sohn zweier deutscher Entwicklungshelfer in Nairobi geboren wurde, nutzt diese Effekte, um sein zwischen Sci-Fi-Genre, Fantasy und historischem Drama angelegtes Filmmärchen mit expressiver Symbolik aufzuladen. Selbst wenn die Symbolik am Ende eher einer Plattitüde weicht: „Das Leben ist nicht nur schwarzweiß. Das Leben hat Farben.“, entfaltet die Geschichte um das traumatisierte Mädchen Beti eine unerwartete Sogwirkung. Siege setzt dabei vor allem auf Überraschungsmomente und rätselhafte Elemente, um beim Zuschauer Neugier und Spannung auf 94 Minuten Spielfilmlänge zu verteilen. Der ist die gesamte Zeit damit beschäftigt, die Stirn krauszuziehen, weil sich die Bilderwelt mit ihrer wahrlich phantastischen Reise durch Wirklichkeit, Traum und Alptraum nur scheibchenweise zu erkennen gibt.

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