CENSOR von Prano Bailey-Bond


Prano Bailey-Bond, die bereits in ihrem Kurzfilm NASTY (2015) einen augenzwinkernden Blick auf die Videotheken-Schocker der 80er Jahre geworfen hat, greift hier die Ästhetik der damals zensierten Videobänder auf, ohne diese direkt zu parodieren. Ziel der Satire sind vielmehr die bürokratischen Abläufe in der Filmbewertungsstelle und die reißerische und oft an den Haaren herbeigezogene Berichterstattung über derartige Filme, die von einer allgemeinen Überforderung mit dem neuen VHS-Medium zeugten. (In Deutschland ereigneten sich zu dieser Zeit vergleichbare Vorgänge.) Dabei wird die Rolle des in Großbritannien aktiven „British Board of Film Classification/Censors“ (BBFC) im Film eindeutig fiktionalisiert. Es geht nicht um die genaue Rekonstruktion der historischen Abläufe, welche die fragwürdigen Praktiken in Gang gesetzt haben, oder die Frage nach dem Sinn einer Altersbeschränkung zum Schutz der Jugend. Vielmehr kritisiert sie das generelle Verbot von willkürlich ausgewählten fiktiven Werken – auch für Volljährige – und die gesellschaftliche Bedeutung der Videozensur. Schließlich wurde dadurch vor allem das Genre des Horrorfilms an sich als anrüchiger, illegaler und trivialer Zeitvertreib stigmatisiert. Und das, obwohl einige der Titel auf der Liste der Video Nasties wie Andrzej Żuławskis POSSESSION (1981) mittlerweile Anerkennung als internationale Filmklassiker genießen, während Undergroundwerke wie Abel Ferraras THE DRILLER KILLER (1979) von der Inklusion profitierten und sich zu Kultfilmen mausern konnten.

Stilistisch bewegt sich CENSOR genau in diesem Spannungsfeld und funktioniert dabei sowohl als genuiner Gruselfilm, als auch als Hommage an die bluttriefenden Machwerke, welche damals unter der Ladentheke ihren Weg zum Publikum fanden. Besonders die hervorragende Kameraarbeit von Annika Summerson (MOGUL MOWGLI) weiß zu überzeugen und setzt die grauen Eindrücke der Thatcher-Ära in Kontrast zu den grellen Schockeffekten der Videothekenware. Mit dieser Hyperstilisierung, inspiriert von Paul Grahams Fotografien und den Giallos von Dario Argento, spricht CENSOR ein ähnliches Publikum an, wie Peter Stricklands BERBERIAN SOUND STUDIO oder Panos Cosmatos‘ MANDY. Intelligenter Meta-Horror, der sich nicht in theoretische Diskurse flüchtet, sondern seine VHS-Vorbilder und das Filmmedium als audiovisuellen Rausch zelebriert.

Henning Koch

CENSOR, Regie: Prano Bailey-Bond, Darsteller*innen: Niamh Algar, Michael Smiley, Sophia La Porta, Adrian Schiller, Nicholas Burns, Vincent Franklin, Kinostart: 29.07.2021

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