„Der wundersame Katzenfisch“ von Claudia Sainte-Luce



Als Claudia das Krankenhaus verlässt und alleine nach Hause laufen will, wird sie von dem gelben Käfer von Marthas ältester Tochter Ale (Sonia Franco) eingeholt. Hineinkomplimentiert und kurzerhand zum Mittagessen bei der chaotischen Familie eingeladen. Aus Claudias Perspektive sehen wir nun im wackligen Handkameramodus die kranke Martha und ihre vier Kinder Ale, Wendy (Wendy Guillén), Mariana (Andrea Baeza) und Armando (Alejandro Ramírez Muñoz) durchs Haus toben. Still und ein bisschen verschreckt versucht Claudia, in dem Trubel nicht zu sehr aufzufallen, niemanden zu stören. Ihr Fluchtreflex ist stets überpräsent, die laute Familiensituation überrollt sie, ebenso wie Marthas Wärme und Zuneigung. Nach dem Essen und in vielen folgenden Situationen versucht Claudia, sich immer wieder zurückziehen. Doch die Familie, die nicht ihre ist, will sie nicht gehen lassen.

Als Martha mit den ältesten Töchtern ins Krankenhaus fährt, bleibt Claudia mit Mariana und Nesthäkchen Armando zurück und trägt plötzlich unfreiwillig die Verantwortung für die beiden Jüngsten. Sie bringt sie zur Schule, nimmt sie mit zur Arbeit, verbringt immer mehr Zeit mit ihnen. Während sich die an Einsamkeit gewohnte Claudia anfangs nach ihren Möglichkeiten bemüht, sich still und unauffällig aus der ihr nahezu unheimlichen Situation heraus zu ziehen und man als Zuschauer schon ein bisschen Mitleid hat, weil die Familie sie buchstäblich immer wieder einfängt und in ihre Gemeinschaft zwingt, so kann man dabei zusehen, wie die Kokon-Frau nach und nach weicher wird.

Sie nicht schneidet sich nicht nur etwas von Marthas Lebensfreude ab, sondern sie merkt, dass auch sie selbst viel zu geben hat. Ihre Ruhe und ungewohnte Nähe ist es, welche die stillen Seiten der lauten Familie offenbart. Denn während die vier Geschwister – die von drei unterschiedlichen Vätern sind, wie wir später erfahren – oberflächlich quirlig und aufgedreht sind, geht in ihnen eine Menge vor sich, was durch Marthas Krankheit kaum Raum in der Familie findet. Doch jetzt ist da Claudia, die neue große Schwester, Freundin, Tochter. Anfangs wie ein Fremdkörper, wird sie zu dem fehlenden Puzzlestück, dass die Familie keineswegs perfekt macht – denn um Perfektion geht es niemals  -, aber kompensiert, was vor allem den Kindern so sehr fehlt und noch mehr fehlen wird, wenn ihre Mutter nicht mehr da ist.

1 2 3