„Die Augen des Engels“ von Michael Winterbottom



Die Augen des Engels“ spielt mit dem Kontrast zwischen idyllischer Landschaft, romantischen Altstadtbildern und der Erzählung eines brutalen Verbrechens, das Rückblenden recht schonungsvoll beschreiben. Realistisch verdeutlicht das Drama, wie vielfach bei ähnlichen Taten, die Opfer schnell aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Kaum einer erinnert sich im Film mehr an die getötete Elizabeth (Sei Bennett), alle Aufmerksamkeit liegt auf der vermeintlichen Mörderin, der jungen, attraktiven Jessica (Genevieve Gaunt). Es kann kein Zufall sein, dass sich die Schauspielerinnen der beiden Figuren so sehr ähneln. Die beiden Gesichter vermischen sich in Thomas’ Gedanken, und dazwischen taucht in seiner Imagination auch immer wieder seine Tochter auf, die zwar jünger, aber vom gleichen Typ wie die beiden anderen Mädchen ist.

Thomas’ Tochter heißt Beatrice, genauso wie die Geliebte von Dante, der der Dichter in seiner „Göttlichen Komödie“ bis in die Hölle folgt. Öfters zitiert Thomas Verse aus dem kanonischen Werk. Damit geben Winterbottom und sein Drehbuchautor Paul Viragh dem Film einen bildungsbürgerlichen, intellektuellen Einschlag. Der Dante-Bezug dient aber auch der Evokation einer düster-romantischen Atmosphäre, die den „Höllentrip“ des Protagonisten, der plötzlich in der zweiten Hälfte des Films anfängt, Drogen zu nehmen und aus seinen Gedankenkreisen nicht mehr herauskommt, untermalt.

Daniel Brühl überzeugt durch zurückhaltendes Spiel. Bemerkenswert ist auch Valerio Mastandrea in der Rolle des mürrisch-zynischen Italieners Edoardo. Die weiblichen Figuren wirken allesamt farblos, von der Angeklagten Jessica, über die Studentin Melanie, bis hin zu der von Beckinsale gespielten Reporterin Simone. Ihr Charakter gewinnt auch keine weitere Tiefe, als Thomas und Simone eine Affäre beginnen. Dieses Handlungsmotiv ist für den Film von keinem Mehrwert und wirkt konstruiert. In diesem Punkt zeigt sich die konventionelle Seite von „Die Augen des Engels„. Der Thriller-Charakter zündet irgendwie bis zum Schluss nie richtig.

Interessantestes Thema des Films ist die Auseinandersetzung mit der voyeuristischen Pressearbeit. Die Clique der Journalisten wird einerseits als oberflächlich, sensationssüchtig und charakterschwach gezeichnet, andererseits relativiert sich wieder alles mit einer liebevoll gemeinten Bemerkung von Simone in Bezug auf einen Kollegen, den Thomas kurz davor angewidert stehen ließ („Er ist bei weitem nicht so ein schlechter Mensch, wie er andere glauben lassen möchte.„). Die Medienkritik, die nach Angaben von Regisseur und Drehbuchautor im Vordergrund des Films hätte stehen sollen, bleibt bei einer so unentschiedenen Argumentation zu marginal.

Teresa Vena

Die Augen des Engels„, Regie: Michael Winterbottom, Darsteller: Daniel Brühl, Kate Beckinsale, Valerio Mastandrea, Cara Delevingne, Ava Acres, Genevieve Gaunt, Sei Bennet, Kinostart: 21. Mai 2015

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