„Diplomatie“ von Volker Schlöndorff



Zwischen dem Diplomaten und dem General entspinnt sich – so die Idee von Cyril Gély, dem Autor des erfolgreichen Bühnenstücks, das Schlöndorffs Drama zugrunde liegt – ein psychologisches Kammerspiel, bei dem die Stimme der Vernunft auf die Exekutive des Wahnsinns trifft. Mit Engelszungen spricht der Schwede auf den deutschen Widersacher ein, um ihn vom grausamen Plan seines Führers abzubringen. Die beiden fechten ein Duell ohne Waffen aus, aber das auf unterschiedlichsten Ebenen.

André Dussollier gibt dem schwedischen Konsul Raoul Nordling ein Gesicht. © Koch Media - Film Oblige - Gaumont – Blueprint Film – Arte France Cinéma

André Dussollier gibt dem schwedischen Konsul Raoul Nordling ein Gesicht. © Koch Media – Film Oblige – Gaumont – Blueprint Film – Arte France Cinéma

Schlöndorffs „Diplomatie“ gelingt, weil seine beiden Protagonisten hervorragend funktionieren – jeder für sich und im Widerspiel. Der mehrfach mit dem französischen Filmpreis César bedachte Niels Arestrup brilliert in der Rolle des Nazi-Generals Choltitz, der gesundheitlich schwer angeschlagen, sich aber seiner Berufung verpflichtet fühlt und doch Zweifel am Sinn des Unterfangens zulässt. Sein Gegenüber, André Dussollier, steht ihm in Nichts nach: Er interpretiert seinen Raoul Nordling als eleganten, aber ebenso kühl wie klug kalkulierenden Diplomaten, der nicht auf der Suche nach einer, sondern nach seiner präferierten Lösung ist. Denn: Sein Nordling treibt kein Befehl, sondern die eigene Agenda. Permanent wägt er ab, verkommt nie zum Bittsteller, sondern bespielt geschickt seine Klaviatur der hohen Diplomatie.

Mit diesen beiden Glanzleistungen arbeitet sich Regie-Altmeister Schlöndorff mit „Diplomatie“ an gleich zwei der großen Themen seines Schaffens ab: Dem 2. Weltkrieg (wie zuletzt in „Das Meer am Morgen“ oder auch im Oscar-prämierten „Die Blechtrommel„) und der Frage nach Gerechtigkeit. Der 75-jährige inszeniert aber kein schlichtes „Gut“ gegen „Böse“, sondern erschafft vor dem Hintergrund des brutalen Krieges, der buchstäblich vor der Haustüre tobt, eine Idee dessen, was in der Nacht zum 25. August 1944 passiert sein könnte. Der Regisseur malt diese mit kleinen dramaturgischen Kniffen aus, um immer wieder zu seinem Zentrum zu gelangen, dem pointierten Duell Nordling gegen Choltitz. Dieses trägt das Drama bis zum hinlänglich bekanten Schluss, der weit vom Happy End entfernt ist. Eine Geschichtsstunde wider das Vergessen und für die Vernunft.

Denis Demmerle

Diplomatie“ Regie: Volker Schlöndorff, DarstellerInnen: Niels Arestrup, André Dussollier, Robert Stadlober, Burghart Klaußner, Kinostart: 28. August 2014

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