„Ein Papagei im Eiscafé“ von Ines Thomsen



Der Dokumentarfilm nimmt den Mythos des Friseursalons als Begegnungsort auf, an dem fleißig getratscht oder politisiert wird. Der Barbier oder die Friseurin übernehmen die Rolle des Zuhörers, bei denen sich die Kunden über ihren Unmut beklagen oder schlichtweg aus ihrem eher einsamen Trott entfliehen können. Die Wahl dieses Schauplatzes wirkt sehr überzeugend. Die Regisseurin fängt eine Atmosphäre ein, die meist spontan, ungekünstelt und repräsentativ wirkt. Die Kamera hält sich diskret im Hintergrund, so dass der Film nie moralisierend oder wertend wird.

In den belauschten Gesprächen erfährt der Zuschauer auf ehrliche Weise von verschiedenen Lebenssituationen, die sich aus der Arbeitsimmigration für Einheimische und Zuzügler ergeben. Wir tauchen in Sphären ein, die einem vermutlich sonst verschlossen blieben. Die Betrachtung des gleichen Problems aus unterschiedlichen Perspektiven macht die Stärke des Films aus. Er schneidet auf nicht emotionalisierende Art ein wichtiges Thema wie Heimat an, das alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, berührt.

In „Ein Papagei im Eiscafé“ stößt der Zuschauer auf eindrückliche Gesichter und macht die Bekanntschaft charismatischer Persönlichkeiten auf Seiten der Besitzer wie auf der der Kunden. Besonders einprägend wirken der pakistanische und der marokkanische Friseur. Sie geben sich große Mühe, jeden freundlich und nett zu empfangen, doch hat ihre Fröhlichkeit einen bitteren Beigeschmack: Sie strahlen eine große Sehnsucht und Müdigkeit aus, die einen nicht unberührt lässt.

Teresa Vena

Ein Papagei im Eiscafé„, Regie: Ines Thomsen, Kinostart: 21. Mai 2015,
Der Film hat bei achtung berlin den new berlin film award für den besten Dokumentarfilm 2015 gewonnen.

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