„Es wird sicher passieren“ von Stefan Wipplinger (Mai16)
An jedem dritten Mittwoch im Monat können Filmemacher ihre Kurzfilme – ohne Anmeldung, ohne Vorauswahl, ohne Jury – beim Open Screening im Sputnik Kino Kreuzberg präsentieren und jeweils nach der Vorführung mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Unerwünschte Inhalte können vom Publikum mit mehrheitlich gezogener roter Karte gestoppt werden. Das Ganze ist somit so etwas wie ein Filmfestival ohne Netz und doppelten Boden, bei dem ausschließlich Filmemacher und Publikum entscheiden, was gezeigt wird.
Berliner-filmfestivals.de präsentiert euch einmal im Monat einen von den Veranstaltern ausgewählten Beitrag der letzen Open Screening-Ausgaben mit einem Interview. Bei uns erfahrt ihr mehr über die Macher der Filme und ihre Pläne. Nach „Warum hasst jeder Autos!“ von Stefan Vogt im März und „Typewriterhead“ von Eric Giessmann im April präsentieren wir euch im Mai „Es wird sicher passieren“ von Stefan Wipplinger.
Viel Vergnügen beim Interview mit Regisseur Stefan Wipplinger und seinem Kurzfilm…
Stefan, worum geht es in „Es wird sicher passieren„?
Stefan Wipplinger: Ein arbeitsloser Vater mittleren Alters taumelt durch einen besonders ungemütlichen Tag seines prekären Lebens. In einer Spirale des Scheiterns steigt – durch väterliche Verantwortung, Jobsuche und Alkoholismus – an diesem Tag der finanzielle Druck auf ihn bis zur Unerträglichkeit. Etwas muss sich ändern, etwas muss er tun, jemand muss sich für seine Lage interessieren. Also ruft er den Polizeinotruf und kündigt ein eigenes Verbrechen an, über das er selbst noch nicht allzu genau Bescheid weiß. Auf jeden Fall soll es sich um eine Geiselnahme handeln.
Wie ist die Idee dazu entstanden?
Das Telefongespräch, das in meiner Geschichte das Finale bildet, habe ich bereits ungefähr acht Jahre vor dem Filmdreh auf Youtube gefunden. Ich war sofort sehr ergriffen von diesem Kleinod des Zufalls, diesem tragisch-komischen Splitter einer Realität über die nichts zu erfahren ist, jenseits der 2 Minuten – und die sich doch sofort im eigenen Kopf fortschreibt und weitererzählt. Also habe ich das gemacht.
Die wenigen Informationen, rar gesät und schwer verständlich, waren die Fixpunkte für die Erfindung einer fiktiven Geschichte unter der Prämisse: Was könnte an diesem Tag welchem Menschen zugestoßen sein, so dass er bei einer solchen Idee landet?
Die spezifische, besoffen-verzweifelte Rhetorik und die dialektale Färbung des Anrufers ergaben sofort eine konkrete Figurenanlage, an der sich mein großartiger Hauptdarsteller Markus Zett abarbeitete. Gemeinsam schrieben wir beim Proben meine Drehbuchentwürfe immer wieder um und näherten uns der realen Figur.
Unheimlich wurde dieser Prozess immer dann, wenn wir – zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit dem Wiener Arbeitsamt – der realen Person auch physisch und namentlich auf der Spur waren. Wir haben aber nie herausgefunden, wer der Mann wirklich war, ob wir seinen Namen richtig verstanden haben und ob er noch lebt. Das ist sehr wahrscheinlich auch besser so.
In unserer letzten Fassung vor dem Dreh beschlossen wir, den Namen der realen Figur nicht – oder nur ebenso unverständlich genuschelt wie im Dokument – zu verwenden, um in diesem Graubereich des Persönlichkeitsrechts nicht über das konzeptuell für uns notwendige Maß hinauszuschießen.