„Réalité“ („Reality“) von Quentin Dupieux


In der ersten Hälfte folgt „Réalité“ einem realististischen Erzählmodus. Doch danach verstricken sich alle Handlungsstränge. Die Grenzen zwischen Traum und Realität werden fließend, die Zeitebenen kommen durcheinander, Personen glauben sich zu verdoppeln oder zu verschmelzen. Protagonisten wie Zuschauer hängen in einer Spirale fest.

Auch in seinem realistischen Teil evoziert der Film eine stille Komik, die sich in den absurden Zuspitzungen steigert. Zu den amüsantesten Szenen gehört die Schrei-Rercherche des Regisseurs, die er mit seinem Aufnahmegerät erst im eigenen Auto und dann in einem Fitnessstudio vornimmt. Dupieux‘ Humor lebt von der Wiederholung und der genauen Beobachtung, er ist zynisch und braucht keine Überhöhung, kommt ohne Fekalisches oder Sexuelles aus. Die Handlung spielt in einem Kalifornien der 1970er oder 1980er Jahre, Kleidung, Einrichtung und Technik entsprechen ebenfalls dieser Zeit und versprühen einen antiquierten Charme. Die Fixation auf diese Epoche erinnert an Tarantino. Das Episodische und Surrealistische von „Réalité“ erinnert zum Beispiel an die späten französischen Filme Buñuels wie „Le charme discret de la bourgeoisie“ (1972).

Der Film ist in zwei Dritteln in Englisch und zu einem Drittel in Französisch gesprochen. Die Gespräche zwischen Regisseur und Produzent finden auf Französisch statt, beide sind Franzosen, dies gilt auch für Jason und seine Frau. Der Produzent weigert sich zudem kategorisch über einzelne Befehle für seine Bedienstete hinaus, Englisch zu sprechen, für die Kommunikation mit einem anderen Regisseur hat er eine Dolmetscherin engagiert. Diese Zweisprachigkeit gibt dem Film etwas Authentisches und Originelles, für das Verständnis der Handlung ist sie nicht hinderlich.

Wie bei seinen früheren Filmen greift Dupieux auch bei „Réalité“ auf eine hervorragende Besetzung zurück, die bis in die Nebenrollen ideal wirkt. Einzelnen Darstellern wie Eric Wareheim, der hier den Schuldirektor mit transsexuellen Vorlieben spielt, scheint Dupieux die Rollen auf den Leib zu schreiben. Bereits in „Wrong Cops“ konnte er mit seinem komischen Talent überzeugen.

Réalité“ präsentiert sich sowohl als komplexes geistiges Experiment als auch als Satire auf die Hollywoodszene und den Autorenfilm. Der Film ist schlüßig und stilecht. Die Musik passt, wie beim Musiker Dupieux alias Mr. Oizo nicht anders zu erwarten, hervorragend. Verwendet wird das Stück „Music with Changing Parts“ von Philip Glass mit seiner strikt seriellen, ins Unendlich gehenden Form.

Dank des Fantasy Filmfestivals konnte der Film in Deutschland gezeigt werden, der ansonsten seit Erscheinen Anfang 2014 weltweit an verschiedenen Festivals teilnahm. Es ist erstaunlich, dass der Film keinen deutschen Verleih gefunden hat.

Teresa Vena

Réalité“ („Reality„), Regie: Quentin Dupieux, Darsteller: Alain Chabat, Jonathan Lambert, Elodie Bouchez, Kyla Kenedy, Jon Heder, Eric Wareheim

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